Jerry Cotton - 0594 - Die Herrin der Schreckenskammer
straffe, asketisch anmutende Gesicht des Mannes wurde von den sehr blauen Augen beherrscht und war tiefgebräunt. Sein schütteres Blondhaar hatte er quer gekämmt, um die kahlen Stellen zu verdecken.
»Mein Name ist Spotter«, stellte er sich vor.
Schon wieder ein neues Gesicht, dachte Jane. Sie erhob sich. Zum erstenmal seit ihrer Entführung hatte sie das Empfinden, einem Mann gegenüberzustehen, der in der Organisation eine wichtige Rolle spielte. Sie vermutete sogar, daß der Boß mit ihr sprach.
»Ich verstehe Ihren Mann nicht«, sagte Spotter langsam. »Er liebt Sie doch, nicht wahr? Sie sind wirklich hübsch! Trotzdem ist der Narr zum FBI gegangen.« Jane Ferguson starrte dem Mann in die kalten blauen Augen. Sie fürchtete sich vor seinen nächsten Worten.
»Uns bleibt nichts anderes übrig, als ihn abzuservieren«, fuhr der Mann fort. »Und Sie dazu! Sie dürfen mir glauben, daß ich das nicht gern tue. Ich hasse es! Ihr Mann ist an allem schuld. Meine Leute haben ihn gewarnt. Er schlug die Warnungen in den Wind. Dafür muß er nun bezahlen. Er und Sie müssen für seinen idiotischen Leichtsinn mit dem Leben büßen.«
»Sie dürfen Archie nichts tun«, murmelte Jane. In ihren Augen brannten plötzlich Tränen. »Was haben Sie denn nach meiner Entführung von -ihm erwartet?« stieß sie hervor. »Archie liebt mich! Er wollte mir helfen.«
Plötzlich fiel ein Schuß. Es war ein hartes, lautes Krachen, das in dem Kellergang ein donnerndes Echo auslöste.
Spotter zuckte zusammen. Er machte einen Schritt nach vorn und blieb dann stehen, seltsam schief und weich, mit zur Seite geneigtem Kopf und wackligen Knien. Seine Augen weiteten sich. Er versuchte, sich umzudrehen, aber dazu fehlte ihm auf einmal die Kraft. Seine Knie knickten ein, und er brach zusammen.
Die Art, wie er mit seinem Oberkörper auf den Betonboden schlug, machte Jane Ferguson klar, daß er jegliche Kontrolle über seinen Körper verloren hatte.
Reglos blieb er mit dem Gesicht nach unten liegen. Jane Ferguson begann zu zittern. Ihr dämmerte, daß Spotter tot war. Angsterfüllt starrte sie durch die offene Tür in den Kellergang. Sie konnte ihn nicht ganz übersehen.
Die junge Frau hörte Schritte. Sie kamen näher, weder laut noch sehr rasch. Dieser Mann mußte Spotters Mörder sein. Jane Ferguson zitterte. Sie fragte sich, ob er auch zu ihr kommen würde.
***
Der Killer war groß und hager. Er trat auf die Schwelle und lehnte sich gegen den Türrahmen. Er hatte ein knochiges Gesicht und dunkle, weit auseinanderstehende Augen. Er musterte den Toten, als läge eine Ratte zu seinen Füßen.
Jane Ferguson schätzte das Alter des Mörders auf achtundzwanzig. Er trug eine braune Sportkombination mit einem auffällig karierten Sakko. Mit der rechten Hand umspannte er einen großkalibrigen Revolver.
Der Mörder rammte die Fußspitze in die Rippenpartie seines Opfers. Spotter rührte sich nicht. Ein flüchtiges häßliches Grinsen huschte um die Mundwinkel des Killers. Dann sah er auf und musterte Jane Ferguson. Der jungen Frau wurde es kalt unter diesem Blick.
»Hallo«, sagte der Killer. Er hob seinen Revolver. Jane Ferguson blieb für einen Moment die Luft weg, aber dann schob der Kerl die Waffe in seinen Hosenbund. »Was wollte er von Ihnen?« fragte er.
Jane Ferguson hatte Mühe, dem Mann zu antworten. »Er — er sagte, daß er meinen Mann und mich töten müßte. Er…« Ihre Stimme brach.
»Sie sind also Jane Ferguson«, sagte der Mann. Er stieß sich von dem Türrahmen ab und streckte sich, als müßte er eine plötzliche Müdigkeit loswer.den. Seine Stimme klang seltsam träge. »Haben Sie schon mal etwas von O. M. gehört?« fragte er sie dann plötzlich.
Jane schüttelte den Kopf.
»Er war mein Boß. Und mein Freund«, sagte der Mann. »Er war der Größte in der Stadt. Der Klügste! Diese Ratte hat ihn umgebracht.«
Jane Ferguson wußte nicht, was sie sagen sollte. Der Mann schien auch gar keine Antwort zu erwarten. Er stieß erneut seine Fußspitze in Spotters Rippen. »Jetzt kommt seine Puppe dran.«
Jane Ferguson schluckte. »Bitte, lassen Sie mich gehen«, stieß sie hervor. »Ich halte das nicht aus. Es ist einfach zuviel für mich.«
Der Mann starrte sie an, als sei sie ein Spielzeug, das plötzlich lebendig geworden war. Jane Ferguson überlief es kalt. Sie bedauerte plötzlich, daß sie etwas gesagt hatte. Von einem Mörder war keine Hilfe zu erwarten. Im Gegenteil!
Sie war die einzige Tatzeugin. Er wußte
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