Jerry Cotton - 0597 - Einstimmig fuer meinen Tod
Weile sagte er: »Ich hatte Sie gestern abend angerufen, Jerry. Ich hatte Ihnen gesagt, daß ich von einer in Syndikatskreisen gewöhnlich gut unterrichteten Person einen Hinweis bekam, daß man Sie töten wolle. Sie erinnern sich?«
»Natürlich erinnere ich mich«, sagte ich. »Aber Sie wissen doch, wie das geht, Chef! Den Kriminalbeamten möchte ich sehen, der nicht ab und zu mal eine Drohung hört und darunter hin und wieder auch einmal die Ankündigung, daß er umgebracht werden soll. Wer von uns nimmt denn das noch ernst? Wenn man sie festnimmt, garantieren sie einem, daß sie nichts, aber auch gar nichts vergessen werden und einen rücksichtslos abknallen wollen, sobald sie erstmal wieder draußen sind. Aber dann vergehen die Jahre und kühlen die heißesten Töpfe ab.«
»Ich habe nicht den Eindruck, daß die Töpfe diesmal so schnell abkühlen«, sagte Mr. High ernst. »Der Mord an Adam Pearl beweist, daß diese Leute vor nichts zurückschrecken. Ich habe deshalb mit Washington telefoniert und einen außergewöhnlichen Plan vorgetragen. Das Hauptquartier war damit einverstanden, Jerry.«
»Fein«, sagte ich. »Hoffentlich gefällt er mir auch. Wie sieht denn nun dieser außergewöhnliche Plan aus?«
Mr. High lächelte rätselhaft.
»Ganz einfach, Jerry«, sagte er. »Sie werden nach Los Angeles versetzt.«
***
In der sechzehnten Etage des Wolkenkratzers gab es ein Café, in dem Bill Hopkins seinen Lunch einzunehmen pflegte. Als er an einem Fensterplatz nach kurzem Zögern den linken Stuhl gewählt hatte, der ihm einen schönen Ausblick auf den Hudson River gewährte, galt sein nächster Blick den Serviererinnen.
Das kleine Café kam mit zwei Kellnerinnen aus, und Hopkins fragte sich, ob es ihm wohl per Zufall gelungen sei, einen Platz in dem Revier zu erhaschen, wo die rassige Schwarzhaarige bediente. Er versuchte schon seit Wochen, die Abgrenzungen der Bedienungsreviere herauszufinden, aber es war ihm immer noch nicht gelungen.
Die fahle Blonde kam an seinen Tisch. Sie trug das hier vorgeschriebene rosa Kleidchen mit der koketten, winzigen weißen Schürze. Daß sie verheiratet war, wußte Hopkins, denn sie hatte es ihm zweimal schon mitgeteilt, als er leise Annäherungsversuche unternommen hatte. Da er aber zu den Männern gehörte, die einen Korb niemals verzeihen können, hatte er daraufhin seine Auf-' merksamkeit der Schwarzhaarigen zugewandt, die er bald darauf im Grunde auch viel hübscher fand. Aber nun hatte er Pech und saß im Revier der Blonden.
»Einen Hamburger«, bestellte er. »Und zwei belegte Brötchen. Tee mit Zitrone. Wenn möglich: heißen Tee.«
»Kalten Tee führen wir nicht«, erwiderte die Blonde schnippisch.
»Da hätten Sie meinen gestern mal probieren sollen. Ach ja, und bringen Sie mir was zum Lesen mit. Hier ist es wieder so furchtbar aufregend.«
»Wir lieben die Ruhe.«
Die Blonde rauschte davon. Hopkins sah ihr verächtlich nach. Wie hatte er diese freche Pute nur je hübsch finden können. Ihr Mund war zu breit, ihre Figur zu üppig, und die Beine waren zu krumm. Seltsam, daß ihm das früher gar nicht aufgefallen war.
Nachdem er eine Zigarette geraucht hatte, erschien seine Bestellung. Die Brötchen waren frisch, der Tee dampfte, und die Zeitungen und Zeitschriften türmten sich zu einem Berg. Trotzdem nörgelte Hopkins: »Haben Sie die Zeitungen erst drucken lassen?«
Die Blonde nickte gelassen: »Ja, aber wir hatten Schwierigkeiten mit dem Papier. Wir mußten es erst aus China importieren lassen.«
Sie stolzierte davon und überließ Hopkins dem Gefühl, eine Niederlage erlitten zu haben. Wütend riß er die oberste Zeitung an sich, während er schon in den Hamburger biß. Verdammt, dachte er, mit der ist nicht fertig zu werden.
Er kaute ohne großen Appetit und blätterte dabei lustlos die Zeitschriften durch. In einem Boulevardblatt fand er ein Foto, das ein halb zertrümmertes Haus zeigte. Die Unterzeile berichtete von einer Gasexplosion. Hopkins stutzte und machte sich über den Artikel her, der neben dem Bild zweispaltig erschien. Plötzlich weiteten sich seine Augen erschrocken. Er las den Artikel zweimal. Dann starrte er eine Zeitlang vor sich hin.
Eine knappe Viertelstunde später saß er in seinem dunkel getäfelten Arbeitszimmer wieder hinter seinem Schreibtisch und las noch einmal denselben Artikel. Er griff zum Telefon und bat seine Sekretärin um eine Ortsleitung. Er wählte selbst eine Nummer.
»Myers«, sagte eine kühle Stimme.
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