Jerry Cotton - 2901 - Der Countdown laeuft (2 of 2)
Schönheit , dachte er.
In der Mathematik und der Musik waren alle großen Kompositionen von überraschender Einfachheit, jedenfalls auf den ersten Blick. Die Qualität eines Computerprogramms konnte Owl anhand der Eleganz erkennen.
»Ansätze sind zu erkennen. Dennoch. Dieses Programm verfügt nicht über die erforderlichen Fähigkeiten«, legte er sich fest.
Nachdem er sein Urteil gefällt hatte, regte Owl eine Diskussion über das Programm innerhalb der Community an. Da ihn mittlerweile alle Hacker der Internetgemeinde unterstützten, entwickelte sich sehr schnell eine lebhafte Kommunikation. Es nahm einige Stunden in Anspruch, bis sich die Hacker zu einem einhelligen Urteil herabließen.
Seine nächste Handlung wurde von der Einschätzung der Community getragen. Owl kontaktierte Agent Decker. Ihm schickte er seine Mahnung in Bezug auf die Tauglichkeit des Programms.
»Es liegt keine ernsthafte Bedrohung in Boston vor. Das kann nur ein Ablenkungsmanöver sein, um die Behörden über das eigentliche Ziel zu täuschen«, schrieb Owl.
Nachdem er die Mail abgeschickt hatte, wie immer über eine Unmenge von Serverrouten, vertiefte er sich erneut in die Daten aus dem Computer von Tennison.
***
Im Field Office von Boston war eine komplette Etage ausschließlich für die Arbeit der Sonderkommission reserviert. Unsere Kollegen hatten eine riesige Ermittlung in Gang gesetzt, die von der kompletten Überprüfung aller Angestellten der Investmentfirma bis hin zu einer Jagd auf jeden Hacker in der Stadt reichte.
»Jeder dieser Schritte ist korrekt und hilft doch wenig weiter«, sagte Nolan.
Ich teilte seine Auffassung. Allein die über zweitausend Angestellten des Unternehmens gründlich zu überprüfen erforderte zu viel Zeit und Personal. Mit den weiteren Ermittlungen war der Rest der Sonderkommission bereits überfordert. Die Anstrengungen erweckten mehr den Anschein von Aktionismus denn von effektiver Ermittlungsarbeit. Uns fehlten konkrete Hinweise, denen wir nachgehen konnten.
»Im Grunde warten doch alle nur darauf, dass sich im Netzwerk der Investmentfirma etwas von dem externen Einfluss zeigt«, sagte ich.
»Wir haben vermutlich den Hacker ausfindig gemacht, der das Programm hier in Boston steuert«, meldete ein Kollege.
Nolan und ich tauschten einen verblüfften Blick aus. Lagen wir so falsch mit unserem Pessimismus?
»Möchten Sie beim Zugriff dabei sein, Agent Cotton?«, fragte der Einsatzleiter.
Nicht nur ich, sondern auch Nolan Banks fuhr mit hinaus zu dem Einsatz. Wenn wir uns getäuscht hatten und es sich tatsächlich um einen Associatee der ENA handelte, wollten wir ihn schnellstmöglich vernehmen. Als wir in Lower Allston hinter dem Kommandowagen des Field Office anhielten, hörten wir Schüsse. Nolan und ich sprangen aus dem Wagen, um uns zu orientieren. Offenbar stießen die Zugriffsteams auf harten Widerstand, was mich an meiner bisherigen Haltung zweifeln ließ.
»Mehrere Männer mit automatischen Waffen sichern die Wohnung ab«, erklärte der Kollege.
Nolan und ich standen im Kommandowagen, um von dort aus den Einsatz zu verfolgen. Die gut bewaffneten Zugriffsteams sollten zunächst den Widerstand brechen, bevor die anderen Ermittler in die Wohnung gingen.
»Bugalla und Nagav?«, fragte Nolan.
Ich schaute den Kollegen der NSA von der Seite her an. Sollten die Agenten des Mossad erneut ihre Finger im Spiel haben? Auch die Antwort hierauf musste warten, denn es gab eine unerwartete Wendung.
»Eines der Zugriffsteams meldet, dass wir es mit einer Gruppe Gangstern aus dem Bereich des organisierten Verbrechens zu tun haben«, sagte der Einsatzleiter.
Setzte die ENA jetzt etwa Hilfskräfte aus dem kriminellen Milieu ein? Das wäre auch eine Variante, mit der wir rechnen mussten.
»Der Truppführer hat seine Meldung korrigiert. Die Gangster haben offenbar selbst versucht, in die Wohnung einzudringen«, sagte der Einsatzleiter.
Die Sache wurde immer mysteriöser. Nolan und ich zogen uns ein Stück zurück.
»Wieso mischen auf einmal normale Gangster mit? Ist das ein weiteres Ablenkungsmanöver der ENA?«, fragte er.
Bei dieser Organisation mussten wir auf alles gefasst sein. Es wurde immer schwieriger, den Überblick zu behalten. Am Wohnhaus des Hackers tobte mittlerweile eine richtige Schlacht, da sich sowohl die Gangstergruppen untereinander als auch die Zugriffsteams bekämpften.
Der Anruf meines Partners aus New York brachte ein wenig mehr Licht ins Dunkle. Phil erzählte mir von
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