Jerry Cotton - 2902 - Den Tod gibts auf Rezept
sprechen.«
Delgado starrte auf das flimmernde Videobild der Präsentation und dachte einige Sekunden nach. Er hatte Anne Brady nach dem Selbstmord ihres Mannes beurlaubt und ihr eingeschärft, dass er sie erst dann zurückerwartete, wenn sie ihre Arbeit wieder aufnehmen konnte.
»Schick sie herein«, zischte er. »Verschieb den Termin mit Bruxley auf fünf Uhr.«
»Wird gemacht!«
Der Lautsprecher knackte, und im selben Moment trat Anne Brady durch die Tür. Sie trug ein schlichtes graues Kostüm. Um den Hals hatte sie ein schwarzes Tuch gebunden.
»Guten Morgen, Bobby«, grüßte sie schüchtern. »Ich hätte anrufen sollen, bevor ich nach New York komme.«
Sie trat auf ihren Vorgesetzten zu und wartete, bis Delgado die Fernsteuerung für die Fensterjalousien gefunden hatte. Helles Tageslicht flutete in den Raum, während die Jalousien in die Höhe glitten.
»Ich hatte gehofft, du bleibst für zwei Wochen zuhause«, sagte Delgado und bot ihr einen Stuhl an. »Du musst in der Agentur mit ganzer Kraft bei der Sache sein.«
»Das bin ich, Bob«, beteuerte Anne. »Mir fällt in New Jersey die Decke auf den Kopf. Die Kinder sind zurück im Internat. Leigh wird erst in einer Woche beerdigt.«
»Die Beisetzung ist erst in einer Woche?« Delgado legte die Hände auf den Tisch und musterte seine Angestellte gewissenhaft. »Bei Gott, Anne, du müsstest tief in Trauer sein. Stattdessen tauchst du in meinem Büro auf und bittest mich darum, wieder an die Arbeit gehen zu können.«
»Es ist nicht so, dass ich nicht trauere, Bob«, antwortete Anne beherrscht. »Ich möchte nur wieder arbeiten. Ich möchte eine Aufgabe haben, die mich ablenkt, über Leigh und seinen Tod nachzugrübeln.«
In Delgados Gesichtsausdruck zeichneten sich Unverständnis und Ratlosigkeit ab. Er sprach in scharfem, unnachgiebigem Ton.
»Dein Mann ist tot, Anne. Die Zukunft deiner Familie ist ungewiss. Ich gestatte nicht, dass du dich seelisch ruinierst, nur um der Firma einen Gefallen zu tun.«
»Nicht der Firma, Bob. Du würdest mir einen Gefallen tun, wenn du mich wieder an die Arbeit lässt.« Sie sah Delgado einige Zeit schweigend an. »Es war bei Leigh und mir nicht alles so, wie du es dir vielleicht vorstellst.«
Durch die Fenster fiel Sonnenlicht auf den gläsernen Schreibtisch und verursachte eine gleißende Reflexion. Delgado erhob sich und ließ mit einem Tastendruck die mittlere Fensterjalousie herunter.
»Wie meinst du das? Ist Leigh deshalb in den Tod gegangen?«
Anne schüttelte den Kopf.
»Ich weiß nicht, was in ihm vorgegangen ist, aber ich glaube nicht, dass er sich das Leben nehmen wollte. Vielleicht ist er einer seiner Wahnvorstellungen gefolgt und auf die Brückenbrüstung geklettert.«
»Nahm er kein Deraquel mehr?«, fragte Delgado. »Die Kampagne muss gestoppt werden, falls es einen Suizid in Verbindung mit verweigerter Deraquel -Einnahme gab.«
»Zwischen Leigh und mir gab es in letzter Zeit häufig Probleme. Ich … Ich weiß nicht, ob er das Deraquel genommen hat.« Sie wurde einen Augenblick still. »Er … Wir wollten uns scheiden lassen, Bob.«
Einen Moment lang war Delgado wie vor den Kopf gestoßen.
»Ihr wolltet … Ihr wolltet die Scheidung? Bei fünf Kindern?« Er rang um Fassung. »Um Himmels willen, du hast mir nie davon erzählt. Ich hätte dich von der Deraquel -Geschichte abgezogen.«
»Aber genau davor hatte ich Angst!«, presste Anne hervor. »Ich … Ich wollte nicht, dass mein Privatleben meinen Job beeinflusst.«
»Die Deraquel -Kampagne war von Anfang an nicht nur Firmenangelegenheit«, hielt Delgado gegen. »Du hast mich angefleht, dir die grafische Leitung zu lassen. Ich habe nachgegeben, weil ich spürte, dass es dir wichtig war.«
»Es war mir ungeheuer wichtig.« Anne öffnete ihre Handtasche und nahm eine Handvoll Papiere daraus hervor. Sie legte sie auf Delgados Schreibtisch. »Ich wollte Leigh helfen. Ich wollte dafür sorgen, dass er sich ohne Deraquel besser fühlt. Er hatte Erektionsstörungen, Bob. Wir hatten keinen Sex mehr seit … Ich weiß nicht … Seit mehr als einem Jahr.«
Delgado griff nach den Papieren, die vor ihm lagen. Sie waren ein Teil von Leigh Bradys Krankenakte.
»Das Deraquel -Projekt von Cends Inc. ist die größte Awareness-Kampagne, die es zu einem einzelnen Psychopharmakon gibt«, sagte er. »Es ist lediglich eine Frage der Zeit, bis man uns den Hahn zudreht, wenn Patienten draufgehen.«
»Leigh hat sich aus freien Stücken gegen Deraquel
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