Jerry Cotton - 2904 - Nur eine Leiche tilgt die Schuld
suchte.
Ich gab Detective Cunningham etwas Zeit. Aber als sie sich mir dann zeigte und den Kopf schüttelte, wusste ich, dass es an der Zeit für mich war, zu handeln. Ich schlich mich hinter das Haus, wo ich auf Phil traf.
»Wie sieht’s aus?«, fragte er mich.
»Detective Cunningham redet mit ihr – sieht aber nicht gut aus. Wir sollten reingehen. Kannst du das Schloss öffnen, ohne dass sie es hört?«
»Hast du Zweifel?«, fragte er und machte sich an die Arbeit, während ich aufpasste.
Kurz darauf hatte er das Schloss geöffnet. »Alles klar, wir können rein. Weißt du, wo sie sich aufhält?«
»Nein«, antwortete ich. »Aber das werden wir gleich wissen. Ich geh vor, gib mir Deckung.«
Langsam zog ich die Tür auf und bewegte mich vorsichtig und lautlos in die Wohnung. Mit vorgehaltener Waffe schaute ich mich um. Als ich ein paar Schritte nach vorne gemacht hatte, folgte Phil mir.
Ich horchte und konnte leise eine weibliche Stimme hören. Sie kam aus einem Zimmer links vor mir. Ich machte einen Schritt nach vorne, als sie plötzlich verstummte.
Hatte sie mich gehört? Gebannt wartete ich und lauschte. Es blieb ruhig. Verdächtig ruhig.
Meine Waffe zielte nach vorne, zum Eingang des Zimmers. Wenn Miss Windmil dort auftauchen würde, war ich bereit, wenn nötig sofort zu feuern.
Dann, ein paar Augenblicke später, redete sie wieder.
Innerlich atmete ich auf. Vielleicht war es doch noch möglich, den Einsatz ohne Blutvergießen zu Ende zu bringen.
Langsam bewegte ich mich nach vorne und konnte Miss Windmil sehen. Sie hatte ihr Handy in der Hand und schaute aus dem Fenster, wandte mir also den Rücken zu. Neben ihr auf dem Tisch lag griffbereit eine Pistole – wahrscheinlich die Waffe, mit der sie fünf Männer getötet hatte.
Ich entschied mich dafür, auf sie zu zu schleichen und die Waffe in Gewahrsam zu nehmen.
Schritt für Schritt arbeitete ich mich vor, bis der Boden plötzlich unter der Belastung meines Gewichts knarrte.
Miss Windmil fuhr erschrocken herum. Ich stand noch etwa drei Meter von ihr entfernt, schussbereit. Würde sie aufgeben? Oder nach ihrer Waffe greifen?
***
Ich weiß nicht, ob es eine Reflexhandlung ihrerseits war oder ob sie wollte, dass ich gezwungen war, auf sie zu schießen. Auf jeden Fall bewegte sie ihre Hand in Richtung der Waffe, die auf dem Tisch lag.
Ohne viel nachzudenken reagierte ich.
Mit zwei schnellen Schritten war ich bei ihr und schleuderte die Waffe zur Seite. Sie schaute mich mit entsetztem Blick an, wahrscheinlich etwa so, wie sie ausgesehen haben musste, als sich ihr Vergewaltiger vor vielen Jahren auf sie gestürzt hatte. Für einen Augenblick konnte ich fühlen, was sie fühlte, und mir lief ein kalter Schauer den Rücken hinunter.
»Es ist vorbei«, sagte ich zu ihr in beruhigendem Tonfall.
»Wirklich?«, fragte sie ängstlich wie ein kleines Kind im Dunkeln.
»Ja«, sagte ich und nahm sie bei der Hand.
Phil nahm ihre Pistole an sich und ich führte sie zur Tür. Dann verließen wir das Haus. Als Detective Cunningham uns sah, steckte sie ihre Waffe weg und kam uns entgegen.
»Gute Arbeit«, sagte sie.
»Danke«, erwiderte ich. »Könnten Sie sich um Miss Windmil kümmern? Ich werde einen Wagen anfordern, der sie abholt.«
Kurz darauf wurde die Täterin, die selbst Opfer war, abgeholt und zum FBI Field Office gebracht.
Bei der Durchsuchung ihres Strandhauses fanden wir Listen von gewalttätigen Freiern und Zuhältern, die von Detective Cunningham und ihren Kollegen vom NYPD unter die Lupe genommen und verhaftet wurden. Einige konnten verurteilt und aus dem Verkehr gezogen werden.
***
ENDE
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