Jerry Cotton - 2905 - Ein Steckbrief fur den Tod
Price.
***
»Ich hatte ja nicht geglaubt, dass an Jordans Aussage wirklich etwas dran sein könnte«, gab Phil zu. »Aber wenn diese Nora Price immer noch so aggressiv ist, dann könnte sie wirklich etwas mit dem Tod von Alex Redmond zu tun haben.«
»Ja, zumal sie inzwischen wieder auf freiem Fuß ist.«
Dieser Wortwechsel zwischen Phil und mir fand statt, nachdem wir ins Field Office zurückgekehrt waren und noch weitere Informationen über Nora Price gesammelt hatten. Wir wussten nun, dass diese Frau nach dem tätlichen Angriff auf Alex Redmond eine mehrmonatige Haftstrafe verbüßen musste.
Vor einer Woche war sie wegen guter Führung vorzeitig entlassen worden. Und wenige Tage später starb der Kautionsjäger, den sie bereits einmal attackiert hatte, durch drei Pistolenkugeln. Es war also verständlich, dass wir diese junge Lady dringend kennenlernen wollten.
Ich rief die Bewährungshelferin von Nora Price an.
»Sie wollen die Adresse von Nora Price haben, Agent Cotton? Die kann ich Ihnen geben. Aber ich glaube nicht, dass Miss Price noch einmal mit dem Gesetz in Konflikt geraten wird. Jedenfalls nicht wegen einem Gewaltdelikt.«
Ich fragte die Bewährungshelferin, wie sie zu dieser Einschätzung kam. Aber sie machte es spannend und gab mir lediglich die Anschrift von Nora Price. Sie lebte jetzt an der Sutter Avenue in Brooklyn.
Phil und ich fuhren sofort los, um mit der Verdächtigen zu sprechen und ihr Alibi zu überprüfen.
»Ich weiß nicht, was diese Geheimniskrämerei soll«, murrte mein Freund. »Ist diese Bewährungshelferin vielleicht noch Hellseherin im Nebenberuf? Woher will sie wissen, dass Nora Price nicht mehr straffällig wird? Wahrscheinlich ist das Wunschdenken von ihr. Ich kann sie sogar verstehen. Es muss entmutigend sein, wenn so viele ihrer Schützlinge wieder rückfällig werden. Aber ein solches Urteil kommt mir sehr anmaßend vor.«
Auch ich hatte mich natürlich gefragt, was die Frau von der Sozialbehörde gemeint haben könnte. Wir mussten quer durch den Bezirk Brooklyn fahren, um die Adresse zu erreichen. Das Grundstück war sehr weitläufig, offenbar eine ehemalige Spedition oder ein anderer Lagerkomplex. Doch man hatte die Gewerbegebäude für Wohnzwecke umgebaut. Zwischen den barackenartigen Häusern gab es kleine Gärten. Und an einem halben Dutzend Fahnenmasten wehten bunte Banner, wie ich sie in einem Film über tibetische Klöster gesehen hatte.
»Nora Price wohnt in einem buddhistischen Meditationszentrum?«
Phils Stimme klang ungläubig, als er diesen Satz hervorstieß. Aber es war eindeutig, dass die Frauen und Männer hier nach der Lehre des fernöstlichen Religionsstifters lebten.
Als wir meinen roten Boliden auf dem Besucherparkplatz abstellten, erblickten wir mehrere Buddha-Statuen. Eine der Skulpturen schien sogar vergoldet zu sein und stand mitten auf einem zentralen Platz.
Nachdem wir ausgestiegen waren, wurden wir von einem jungen Mann in einer orangefarbenen Robe begrüßt. Er fragte uns nach unseren Wünschen. Wir präsentierten unsere Dienstausweise.
»Ich bin Agent Cotton vom FBI New York. Das ist Agent Decker. Wir möchten mit Nora Price sprechen.«
»Ich kenne niemanden, der so heißt«, erwiderte der Buddha-Jünger in der Mönchsrobe. »Aber ich würde Ihnen gerne helfen, Agents.«
Daraufhin zeigte ich ihm ein erkennungsdienstliches Foto von Nora Price, das ich mir aus der elektronischen Strafakte ausgedruckt hatte. Der Buddhist nickte eifrig.
»Ah, ich kenne diese Frau. Aber sie hat ihren früheren Namen mit ihrem alten Leben abgelegt. Sie nennt sich jetzt Mayani. Bitte folgen Sie mir, ich bringe Sie zu ihr.«
Phil und ich wechselten hinter seinem Rücken einen verblüfften Blick. Der Mann in der orangefarbenen Robe steuerte ein langgestrecktes Gebäude an, das von neu angelegten Gärten umgeben war. Dort arbeiteten ausschließlich Frauen.
»Dieser Bereich unserer Gemeinschaft ist ein Nonnenkloster«, erklärte der Buddhist. Es kam mir vor, als ob ich eine fremde Welt betreten würde. Die Wände waren mit Teppichen geschmückt, die religiöse Motive zeigten, es roch nach Räucherwerk und Holzkohle. Irgendwo wurde ein Gong geschlagen. Unser Begleiter fragte eine der Frauen nach Mayani.
»Die hat heute Küchendienst«, erklärte die junge Nonne. Daraufhin führte er uns in eine Großküche, wo eine Frau mit Handbürste und heißem Spülwasser einen riesigen Geschirrberg bearbeitete.
Nora Price blickte auf. Sie wirkte ganz anders als auf
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