Jerry Cotton - 2905 - Ein Steckbrief fur den Tod
benötigte ich nämlich, um ebenfalls dorthin zu gelangen. Ich bremste, mein Jaguar kam unmittelbar hinter dem verwaisten Ford Explorer zum Stehen.
Phil und ich setzten die Verfolgung zu Fuß fort. Leider kam uns aus dem U-Bahn-Schacht eine große Menschenmenge entgegen, wodurch es weitere Verzögerungen gab. Auf dem Bahnsteig war vor wenigen Sekunden ein Zug der Linie N Richtung Stillwell Avenue abgefahren.
Der Flüchtende hatte uns abschütteln können.
***
Diese Niederlage wurmte Phil und mich, aber Nackenschläge gehören zu unserem Job. Ich verständigte zunächst die Transit Police, die für die Sicherheit auf den U-Bahn-Strecken zuständig ist. Die Kollegen bekamen von mir das erkennungsdienstliche Foto von Grant übermittelt. Allerdings machte ich mir keine großen Hoffnungen, dass Grant sich noch im U-Bahn-System aufhalten würde. Er konnte schon an der nächsten Station ausgestiegen und inzwischen über alle Berge sein.
Wir gaben auch unserem Chef Bescheid. Mr High veranlasste sofort eine Großfahndung. Außerdem bat ich ihn, einen Hausdurchsuchungsbefehl für Grants Büro und Haus bei der Staatsanwaltschaft zu beantragen. Natürlich konnten wir nicht so lange warten, bis wir das Dokument in Händen hatten.
Phil und ich fuhren zunächst zum Privathaus des Verdächtigen. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass er so dumm war, sich dort zu verkriechen. Aber wir durften keine Möglichkeit außer Acht lassen.
Grants Haus befand sich in einer ruhigen gepflegten Wohngegend von Queens. Nach meinem Klopfen öffnete eine attraktive Frau mit blonder Dauerwellenfrisur. Für einen Moment fragte ich mich, ob wir die Mörderin von Alex Redmond vor uns hatten. Aber warum sollte Mrs Grant eine blonde Perücke aufsetzen? Das ergab keinen Sinn. Oder wollte der Täter den Verdacht auf seine Gattin lenken? Aber aus welchem Grund? Letztlich weiß man nie, was im Gehirn eines Verbrechers vor sich geht.
»Sind Sie Mistress Grant?«, wollte ich wissen.
»Ja, mein Name ist Barbara Grant. Und mit wem habe ich das Vergnügen?«
Wir zeigten unsere FBI-Ausweise. Nachdem ich uns vorgestellt hatte, sagte ich: »Mistress Grant, wir müssen dringend mit Ihrem Mann sprechen. Ist er daheim?«
»Nein, um diese Uhrzeit ist Bill in unserem Autohaus.«
»Haben Sie etwas dagegen, wenn wir nachsehen?«, fragte Phil. »Vielleicht ist er hereingekommen, ohne dass Sie es bemerkt haben. Durch die Garage beispielsweise.«
»Warum sollte Bill das tun? – Aber kommen Sie meinetwegen herein. Ich habe nichts zu verbergen.«
Die Ehefrau des Verdächtigen trat zur Seite, um uns ins Haus zu lassen. Irritiert bemerkte sie, dass wir unsere Pistolen zogen. Wir mussten bei Grant auf alles gefasst sein. Bei seiner Flucht hatte er bisher Raffinesse und Rücksichtslosigkeit bewiesen.
Da Phil und ich ein eingespieltes Team sind, durchkämmten wir das Haus im Handumdrehen. Dabei ließen wir natürlich auch Barbara Grant nicht aus den Augen, die aus ihrer ablehnenden Haltung keinen Hehl machte.
»Was soll das hier eigentlich werden, Agents? Sie führen sich auf, als ob Bill ein Schwerverbrecher wäre.«
Ich schaute ihr direkt ins Gesicht.
»Ihr Mann hat meinen Kollegen attackiert, und Angriff auf einen FBI-Agent ist kein Kavaliersdelikt. Aber vor allem steht Bill Grant im Verdacht, einen Mord begangen zu haben.«
»Mord?« Barbara Grant quollen beinahe die Augen aus dem Kopf. »Sie müssen meinen Mann mit jemandem verwechseln. Bill wäre niemals zu einem Verbrechen fähig. Er ist der ehrlichste Mensch, den ich kenne.«
»So? Und warum ist er dann vor uns geflohen?«, rief Phil. An seiner Stirn war bereits deutlich die gerötete Stelle zu erkennen, wo das Wurfgeschoss seinen Kopf getroffen hatte.
Die Ehefrau des Verdächtigen zuckte mit den Schultern.
»Vermutlich haben Sie meinem Mann Angst eingejagt und er ist in Panik geraten. Ich sollte unseren Hausanwalt verständigen.«
»Tun Sie das, es ist Ihr gutes Recht«, sagte ich. »Sie halten Bill Grant also für einen ehrlichen Menschen. Dann hat er Ihnen also von seiner Vergangenheit nichts erzählt?«
Die Ehefrau wirkte ehrlich überrascht.
»Ich weiß nicht, was Sie meinen.«
Ich präsentierte ihr das erkennungsdienstliche Foto, das vor fünf Jahren von Bill Grant erstellt worden war.
»Ihr Mann wurde wegen Einbruchdiebstahl zu einer Gefängnisstrafe verurteilt.«
Mrs Grant erblasste. Ich glaubte nicht, dass sie uns etwas vormachte. Für so eine begnadete Schauspielerin hielt ich sie nicht.
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