Jerry Cotton - 2925 - Einmal zu viel getrickst
einer Glasflasche, die ich zunächst nicht bemerkt hatte. Er wollte sich auf mich stürzen, doch ich brachte ihn mit einem Fußfeger zu Boden, riss seine Handgelenke auf den Rücken und legte ihm die stählerne Acht an.
Er jammerte etwas über Polizeibrutalität, aber die eingeschüchterte Frau warf mir einen dankbaren Blick zu. Phil kam herein.
»Bleib du bei der Lady!«, rief ich. »Ich greife mir Wang Wei!«
»Alles klar, Jerry. Die Kollegen müssten bald kommen. Da draußen ist jetzt der Teufel los.«
Auf dem Korridor herrschte ein unbeschreibliches Tohuwabohu. Natürlich waren die Schüsse und Schreie auch den übrigen Bordellbesuchern und den Prostituierten nicht entgangen. Sie alle würden Schwierigkeiten bekommen, wenn sie verhaftet wurden. Und weil das so war, suchten sie alle ihr Heil in der Flucht.
Mir kam es nicht darauf an, ein paar kleine Fische zu verhaften. Mir ging es um die Bordellchefin, die möglicherweise auch eine Doppelmörderin war. In dem Gebäude befanden sich offenbar mehrere Dutzend Personen. Manche Männer rannten in Unterhosen auf den Korridor, andere rüttelten verzweifelt an den vergitterten Fenstern.
»Wo ist Wang Wei?«, rief ich einem Chinesen zu, der ein traditionelles Gewand mit weiten Ärmeln trug. Offenbar war er eine Art Hausdiener. Er hatte gerade einen Stapel Handtücher auf den Boden fallen lassen und wollte weglaufen, aber ich packte ihn am Arm. Er presste die Lippen aufeinander, aber seine Körpersprache verriet ihn. Der Angestellte schaute kurz nach oben.
Ich ließ ihn los und rannte eine steile Treppe hoch. Es konnte sich nur noch um Minuten handeln, bis die Verstärkung eintreffen und Phil im Erdgeschoss unterstützen würde. Ein Schuss krachte. Das obere Stockwerk lag in völligem Dunkel, nur das Mündungsfeuer einer Waffe war kurz aufgeblitzt. Das Projektil verfehlte mich und zerfetzte stattdessen eine der hölzernen Streben des Treppengeländers.
»FBI! Waffe weg!«, rief ich, während ich mich gegen die Wand presste. Ich konnte jetzt nicht zurückfeuern. Es war ja möglich, dass in der oberen Etage unbeteiligte Personen in der Dunkelheit saßen. Auch eine Geiselnahme konnte ich nicht ausschließen. Das wäre so ungefähr das Letzte gewesen, was wir jetzt gebrauchen konnten.
Einige Sekunden verstrichen, die mir wie eine halbe Ewigkeit vorkamen. Dann glaubte ich, über mir schnelle Schritte zu hören. Sie entfernten sich. Oder täuschte ich mich aufgrund des Lärms und Geschreis im Erdgeschoss?
Ich musste es riskieren. Geduckt hetzte ich weiter hoch, wobei ich immer zwei Treppenstufen gleichzeitig nahm. Meine SIG hatte ich schussbereit in der rechten Hand.
Im Obergeschoss wurde ich langsamer. Ich hätte natürlich meine Taschenlampe einsetzen können. Aber dadurch wäre ich für einen in der Finsternis lauernden Schützen zu einer allzu guten Zielscheibe geworden. Dunkelheit umfing mich, ich musste mich auf mein Gehör verlassen.
Und auf meinen Geruchssinn. Ich nahm ein schweres, teures Parfüm wahr. Das ist in einem Bordell gewiss nicht ungewöhnlich. Doch ich war mir sicher, dass genau dieses Duftwasser von Wang Wei bei unserer ersten Begegnung benutzt worden war.
Außerdem traute ich ihr zu, ohne Vorwarnung auf einen FBI-Agent zu schießen. Während mir diese Überlegungen durch den Kopf gingen, blieb ich nicht auf einem Fleck stehen. Stattdessen bewegte ich mich schnell und leise vorwärts. Ein kalter Hauch von Zugluft traf mein Gesicht.
Ich ertastete mit der linken Hand eine Metallleiter. Sie führte offenbar auf das Dach hinauf, jedenfalls war über mir eine Luke nicht ganz geschlossen. Ich sah ein Stück des New Yorker Nachthimmels mit seinen hell beleuchteten Wolkenkratzern.
An Wang Weis Stelle hätte ich versucht, über das Dach zu entkommen. Also erklomm ich die Leiter und drückte vorsichtig die Luke auf.
Die Lichter von benachbarten Gebäuden spendeten hier draußen genügend Helligkeit. Ich erblickte eine dunkel gekleidete Gestalt, die unschlüssig am Rand des leicht schrägen Dachs stand. Ob die Bordellchefin sich in den Tod stürzen wollte?
»Wang Wei, Sie sollten jetzt nichts Unüberlegtes tun«, sagte ich so ruhig wie möglich. Ich stemmte mich nach draußen, stand nun ebenfalls auf dem Dach. Die Frau befand sich ungefähr sechs Yards von mir entfernt. Es war unmöglich einzuschätzen, ob sie bewaffnet war. Die Hände hatte sie nämlich in die Manteltaschen versenkt. Aber ich musste bei ihr auf alles gefasst sein.
Sie hob den Kopf,
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