Jerry Cotton - Folge 2860 - Cotton, J: Jerry Cotton - Folge 2860
Visagen? Wer hätte gedacht, dass wir in dieser Bruchbude ein Kompliment bekommen würden. – Aber ernsthaft, Jerry. Was hältst du von den Behauptungen unseres bekifften Rasta-Engels?«
»Wir wissen aus der Strafakte, dass Lynn Morley Erfahrung mit Taschendiebstahl hat. Daher sind die Behauptungen der Zeugin nicht unwahrscheinlich. Und diesen Brownie würde ich auch gerne genauer unter die Lupe nehmen. Falls er wirklich so aggressiv ist, könnte er Einauge auf dem Gewissen haben.«
»Und vielleicht war Brownie ja auch an dem Raubüberfall beteiligt, Jerry. Wie auch immer, bei diesem Wetter ist der Washington Square Park gewiss ein lohnendes Jagdrevier für Taschendiebe.«
***
Wir fuhren nach Manhattan zurück. Die Hitzewelle trieb die New Yorker und die zahlreichen Touristen aus aller Welt natürlich nicht nur in den Washington Square Park, sondern auch in alle anderen der über 1.700 Grünanlagen des Big Apple.
Ich parkte meinen roten Boliden auf dem Gelände der New York University. Zu Fuß machten Phil und ich uns auf den Weg zum nahe gelegenen Washington Square Park. Die Grünanlage war nicht annähernd so weitläufig wie beispielsweise der Central Park. Aber bei der Hitze und dem strahlenden Sonnenschein herrschte wirklich großes Gedränge, wie wir es schon vermutet hatten. Insbesondere bei den Wasserspielen der Central Fountain und beim Triumphbogen bevölkerten große Menschenmassen die Parkwege.
Doch Phil und ich waren nicht zu unserem Vergnügen gekommen. Mit geschultem FBI-Blick hielten wir nach Lynn Morley und ihrem Freund Ausschau.
»Wir hätten die nette junge Frau noch fragen sollen, wie dieser Brownie aussieht«, raunte Phil mir zu.
»Ja, aber sie hatte keine Lust mehr, mit uns zu reden. Du weißt doch, wie launisch Drogenkonsumenten sind. Immerhin kennen wir Lynn Morley. Und da Taschendiebe gern zu zweit arbeiten, werden wir auch diesen Brownie erwischen. Sicher, wir hätten die Nachbarin mit ins Field Office nehmen können, um sie noch mehr auszuquetschen. Aber dabei wäre nichts herausgekommen.«
»Das stimmt leider«, seufzte Phil. »Ich – hey, da sind sie!«
Natürlich gestikulierte Phil nicht, um mich auf die Verdächtigen aufmerksam zu machen. Außerdem hatte ich Lynn Morley zeitgleich mit meinem Partner bemerkt. Die Kriminelle hatte eine gute Figur. Sie trug an diesem Tag schwarze Hotpants, die ihre langen Beine betonten. In ihrem silberfarbenen Spaghettiträger-Top zeigte sie auch am Oberkörper viel Haut. Kein Laie hätte vermutet, dass sie eine ausgekochte Taschendiebin war. Ihr aufreizendes Aussehen sollte die potentiellen Opfer natürlich auch ablenken. Ich konnte mir vorstellen, dass sie es nur auf Männer abgesehen hatte.
Lynn Morley hatte uns noch nicht bemerkt, da wir uns aus nördlicher Richtung dem Triumphbogen näherten. Zwischen uns und den Verdächtigen befanden sich noch genügend andere Passanten. Trotzdem konnten wir Lynn und ihren kriminellen Komplizen direkt bei der Tatausübung beobachten.
Die Ex-Freundin von Einauge tat so, als ob sie die Central Fountain fotografieren wollte. Das war ein schönes Fotomotiv, das von vielen Touristen auf Celluloid gebannt wurde. Dabei drehte sie sich so abrupt um, dass sie mit einem Mann zusammenstieß. Natürlich hatte Lynn Morley den kleinen Unfall beabsichtigt. Sie schien zu straucheln, der Mann hielt sie fest. Er war rund zwanzig Jahre älter als sie und wie ein europäischer Tourist gekleidet. Und er trug seine Geldbörse unvorsichtigerweise in der Gesäßtasche.
Während das Opfer durch den Zusammenprall abgelenkt war, zog ihm ein athletischer Latino sein Portemonnaie aus der Tasche. Dieser Typ musste Brownie sein. Es gab keinen Zweifel, dass er mit Lynn Morley zusammenarbeitete.
Phil und ich hatten genug gesehen. Wir griffen ein. Noch befanden wir uns ungefähr zwanzig Yards von den beiden Taschendieben und ihrem Opfer entfernt. Doch wir bahnten uns nun zügig unseren Weg zwischen den anderen Passanten. Lynn Morley lachte den nichts ahnenden Bestohlenen an und wollte sich offenbar aus dem Staub machen. Es lagen jetzt nur noch drei Mannslängen zwischen ihr und uns.
Aber die Taschendiebin warf plötzlich einen Blick in unsere Richtung. Lynn Morley hatte uns sofort wiedererkannt. Schließlich waren Phil und ich erst zwei Tage zuvor bei ihr gewesen und hatten sie intensiv wegen Einauge ins Gebet genommen.
»Hau ab! Das FBI!«, rief sie mit kreischender Stimme ihrem Kumpan zu. Brownie rannte sofort los, wobei er
Weitere Kostenlose Bücher