Jerry Cotton - Folge 2860 - Cotton, J: Jerry Cotton - Folge 2860
unterbringt. Auch Brücken oder U-Bahn-Schächte, die immer wieder als Übernachtungsmöglichkeit dienen, suchte man in weitem Umkreis vergebens.
»Sind dir Autos aufgefallen, die nicht hierhergehören? Haben sich Menschen verdächtig verhalten? Konntest du hier in letzter Zeit öfter Fremde bemerken?«
Der Zeitungsjunge schüttelte den Kopf.
»Sorry, Agent. Ich habe nichts Besonderes gesehen. Es war sehr ruhig, mir kam auf meiner Tour durch die 28th Street keine einzige Karre entgegen.«
Der Zeuge wirkte auf mich glaubwürdig. Er war offenbar ein guter Junge, dem es nicht gleichgültig war, wenn ein Mensch auf dem Boden lag. Deshalb hatte er ja auch gleich den Notruf alarmiert. Ich gab ihm meine Visitenkarte.
»Ruf mich an, wenn dir noch etwas einfällt, okay? Jede Kleinigkeit kann wichtig sein.«
Leslie Banners trat vor Aufregung von einem Fuß auf den anderen. Er hatte offensichtlich noch etwas auf dem Herzen. Schließlich traute er sich und öffnete erneut den Mund.
»Kriege ich eigentlich eine Belohnung? Ich meine, weil ich die Leiche gefunden habe?«
Bevor ich antworten konnte, grinste Phil süßsauer und deutete auf das Kamerateam hinter der Polizeiabsperrung.
»Die Medien brennen schon darauf, neue Sensationen zu verbreiten. Ich schätze, du wirst dein Gesicht heute überall in den Lokalnachrichten sehen. Hast du nicht immer schon davon geträumt, ins Fernsehen zu kommen?«
***
Wir ließen Leslie Banners stehen und wandten uns der Immobilienmaklerin zu, die inzwischen eingetroffen war. Sie hieß Emily O’Connor und war mindestens so unruhig wie der Zeitungsjunge. Die Maklerin war schätzungsweise Anfang dreißig und sah recht gut aus. Sie trug an diesem heißen Tag ein lachsfarbenes Leinenkostüm und weiße Pumps. Auf Strümpfe hatte sie verzichtet. Ihre Beine waren lang und wohlgeformt.
»Eine Leiche auf dem Grundstück? Wie konnte das nur passieren, Agent?«
»Das fragen wir Sie«, erwiderte ich. »Das Garagentor war nicht verschlossen. Hat das einen bestimmten Grund?«
Emily O’Connor nickte.
»Es gibt einen elektronischen Garagentorantrieb mit Funkfernsteuerung. Aber der Motor ist defekt. Und eine Reparatur lohnt sich nicht, solange es keine ernsthaften Interessenten für die Immobilie gibt.«
»Dann steht das Haus also schon länger leer?«
»Ein halbes Jahr schon, G-man. Aber das ist heutzutage nicht ungewöhnlich. Es gibt ein Überangebot an Häusern, selbst in dieser guten Gegend. Die Kunden überlegen es sich dreimal, bevor sie eine Immobilie erwerben.«
Die Maklerin schloss das Haus auf, damit sich die Leute von der Scientific Research Division auch dort umschauen konnten. Phil und ich warfen ebenfalls einen Blick ins Innere des Gebäudes. Nichts deutete auf ein gewaltsames Eindringen hin. Das Haus war unmöbliert. Der Boden war mit einer leichten Staubschicht bedeckt. Offenbar lag die letzte Besichtigungstour schon länger zurück.
»Wenn der Killer hier gewesen wäre, müsste er Fußspuren hinterlassen haben«, dachte Phil laut nach. Ich konnte meinem Freund nur beipflichten. Auch an den Fenstern konnten wir keine Einbruchspuren entdecken, ebenso wenig wie an der Eingangstür oder der Verbindungstür zwischen Küche und Garage. Offenbar waren Einauges sterbliche Überreste wirklich nur in der Garage deponiert worden. Danach war der Täter wieder verschwunden.
Die Leiche war inzwischen abtransportiert worden. Ich zeigte Emily O’Connor ein erkennungsdienstliches Foto von Keith Garland alias Einauge.
»Haben Sie diesen Mann schon einmal gesehen, Miss O’Connor?«
Die Maklerin zuckte zusammen. Als sie die Lippen öffnete, war ich sicher, dass sie mich anlügen würde.
»N-nein, Agent. Ist das der – Ermordete?«
»Ja. Aber woher wissen Sie, dass der Mann ermordet wurde? Die Cops hatten Ihnen nur mitgeteilt, dass sich auf dem Grundstück ein Toter befindet. Von einem Mord war keine Rede.«
Meine Feststellung verwirrte Emily O’Connor noch mehr. Jedenfalls ließ ihr Mienenspiel darauf schließen. Ihr Blick wanderte von mir zu Phil, dann wieder zu mir zurück. Doch nach wenigen Sekunden hatte sie sich wieder im Griff.
»Ich hatte angenommen, dass ein Verbrechen geschehen ist. Das FBI rückt doch nicht an, wenn es einen Unfall gegeben hat, oder?«
Ich schaute ihr direkt ins Gesicht. Die Maklerin musste meinem Blick ausweichen. Ich war mir sicher, dass sie etwas vor uns verbarg.
»Völlig richtig, Miss O’Connor. Und Sie sind sicher, dass Sie Keith Garland nicht
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