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Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Titel: Jerusalem: Die Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Sebag Montefiore
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der den glorreichen Beinamen der Wolkenfänger trug (weil er Beduinen besiegte, die nach Ansicht der Osmanen so schwer einzufangen waren wie Wolken), verbündete sich 1770 mit Scheich Zahir. Gemeinsam eroberten sie einen Großteil Palästinas und nahmen sogar Damaskus ein, aber in Jerusalem hielt der Pascha des Sultans die Stellung. Die russische Zarin Katharina die Große, die sich mit den Osmanen im Krieg befand, schickte eine Flotte ins Mittelmeer, wo sie die Marine des Sultans besiegte. Der Wolkenfänger brauchte russische Unterstützung, aber Russland war nur an einem interessiert: an Jerusalem. Die russischen Schiffe bombardierten Jaffa und segelten weiter, um Beirut anzugreifen. Zahir besetzte Jaffa – aber würden er und der Wolkenfänger Jerusalem einnehmen und den Russen übergeben können?
    Scheich Zahir schickte seine Truppen zur Belagerung der Stadt aus, aber gegen die Stadtmauern Jerusalems konnten sie nicht viel ausrichten. Da die Osmanen an allen Fronten geschlagen waren, schlossen sie Frieden mit den Russen. In dem Friedensvertrag von 1774 zwangen Katharina und ihr Partner, Fürst Potemkin, die Osmanen, den Schutz der orthodoxen Christen durch Russland anzuerkennen – und letztlich sollte die Besessenheit der Russen von Jerusalem zu einem europäischen Krieg führen. [182] Nun konnten die Osmanen ihre verlorenen Provinzen zurückerobern: Der Wolkenfänger wurde ermordet, und der 86-jährige Scheich Zahir musste aus Akko fliehen. Als er aus der Stadt ritt, bemerkte er, dass seine Lieblingskonkubine nicht mitgekommen war – »das ist nicht der Zeitpunkt, jemanden zurückzulassen«, sagte er –, und galoppierte zurück. Als er sie auf das Pferd hob, riss das Mädchen ihren alten Liebhaber vom Pferd, und Mörder erstachen und enthaupteten ihn. Der Kopf des ersten »Königs von Palästina« wurde aufgespießt nach Istanbul geschickt. [137] Die anarchischen Verhältnisse lockten den aufsteigenden Helden des revolutionären Frankreich an.
    Napoleon Bonaparte: »Ein Koran, den ich selbst geschrieben habe«
    Am 19. Mai 1798 machte sich der 28-jährige, blasse, hagere, glatthaarige Napoleon Bonaparte mit 335 Schiffen, 35 000 Soldaten und einer Akademie mit 167 Wissenschaftlern auf, um Ägypten zu erobern. »Ich würde eine Religion stiften«, sinnierte er mit größenwahnsinniger Arroganz, »ich sah mich mit Turban auf dem Kopf auf einem Elefanten auf dem Weg nach Asien, in einer Hand einen neuen Koran, den ich selbst geschrieben hatte.«
    Sein Abenteuer war inspiriert von revolutionärer Wissenschaft, kaltem politischem Kalkül und Kreuzfahrerromantik. Ganz Paris hatte die Reisebeschreibung des Philosophen Constantin Volney gelesen, der die »geschundenen Ruinen von Jerusalem« und den Verfall der osmanischen Levante als reif für die Eroberung durch die zivilisatorische Vernunft der Aufklärung geschildert hatte. Die Französische Revolution hatte versucht, die Kirche zu zerstören und das Christentum durch Vernunft, Freiheit und sogar einen neuen Kult des höchsten Wesens zu ersetzen. Aber der Katholizismus hatte überdauert, und Napoleon war bestrebt, die Wunden der Revolution zu heilen, indem er Monarchie, Glauben und Wissenschaft vereinte – daher die vielen Wissenschaftler an Bord. Es ging aber auch um Imperialinteressen: Frankreich befand sich im Krieg mit England. Der geistige Vater dieser Expedition war der berüchtigte hinkende Exbischof und Außenminister Charles-Maurice de Talleyrand, der hoffte, damit die Kontrolle über das Mittelmeer zu erringen und Britisch-Indien zu isolieren. Falls Bonaparte Erfolg hätte, wäre alles gut und schön, falls nicht, hätte Talleyrand einen Rivalen beseitigt. Wie es so oft im Nahen Osten der Fall war, erwarteten die Europäer, dass die Orientalen für ihre wohlmeinende Eroberung dankbar wären.
    Napoleon landete erfolgreich in Ägypten, das immer noch von einer mameluckisch-osmanischen Beamtenkaste regiert wurde. Er besiegte sie bald in der Schlacht bei den Pyramiden, aber der englische Admiral Horatio Nelson versenkte die französische Flotte in der Bucht von Abukir. Bonaparte hatte zwar Ägypten gewonnen, aber dank Nelson saß Napoleons Heer im Osten fest, was die Osmanen ermunterte, ihm in Syrien die Stirn zu bieten. Wenn Napoleon in Ägypten überleben wollte, musste er nach Norden ziehen und Syrien sichern.
    Im Februar 1799 marschierte er mit 13 000 Mann und 800 Kamelen in Palästina ein. Am 2. März rückte er gegen Jaffa vor, und sein General Damas

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