Jerusalem: Die Biographie (German Edition)
drang mit seiner Kavallerie bis 5 Kilometer vor Jerusalem vor. General Bonaparte träumte bereits von der Eroberung der Heiligen Stadt und schrieb dem Direktorium, der Revolutionsregierung in Paris: »Wenn Sie diesen Brief lesen, stehe ich möglicherweise bereits in den Ruinen des Tempels Salomos.«
Teil VIII
Imperialismus
Wie gerne würde ich Jerusalem einmal sehen.
Abraham Lincoln im Gespräch mit seiner Frau
Der Schauplatz der denkwürdigsten und erstaunlichsten Ereignisse, die in den Annalen der Welt verzeichnet sind.
James Barclay, The City of the Great King
Nirgendwo ist das Gewölbe des Himmels reiner, tiefer und wolkenloser als über den stolzen Höhen von Zion. Doch wenn der Reisende vergessen kann, dass er auf den Gräbern von Menschen schreitet, denen seine Religion entsprossen ist, so wird es gewiss keine Stadt geben, die er schneller wieder verlassen möchte.
H. W. Bartlett, Walks About Jerusalem
Ja, ich bin ein Jude, und als die Vorfahren des ehrenwerten Gentleman noch als Wilde auf einer unbekannten Insel lebten, waren die meinen Priester in Salomos Tempel.
Benjamin Disraeli, Rede im Unterhaus
Seht euch an, was hier im Namen der Religion geschieht!
Harriet Martineau, Eastern Life
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Napoleon im Heiligen Land
1799 – 1806
Der Blaubart von Akko
Nichts stand zwischen Napoleon und der Eroberung Jerusalems – außer Ahmed al-Jazzar, dem Schlächter, der zu dieser Zeit Herrscher über das osmanische Palästina war. Er hatte den Beinamen Jazzar – der Schlächter – in jungen Jahren angenommen und setzte auf das Prinzip, dass nichts die Menschen besser antreiben könne als die Angst.
Der Schlächter tyrannisierte die ihm unterstellten Gebiete, indem er jeden grausam verstümmelte, den er der geringsten Untreue verdächtigte. Ein Engländer, der ihn in Akko besuchte, merkte an, dass er »von verstümmelten und entstellten Menschen umgeben« sei. »Sämtlichen Personen, die Ämter innehatten oder die Türen bewachten«, fehlte entweder eine Gliedmaße, die Nase, ein Ohr oder ein Auge. Seinem jüdischen Minister Haim Farhi hatte er, um sicherzugehen, »ein Ohr und ein Auge genommen«. »Die vielen Gesichter, in denen Nase und Ohren fehlen, fallen jedem auf, der diesen Teil Syriens besucht.« Der Schlächter nannte diese Menschen seine »Gezeichneten«. Manchmal ließ er die Füße seiner Opfer mit Hufeisen beschlagen. Eine Gruppe ortsansässiger Christen hatte er als warnendes Beispiel für andere lebendig einmauern lassen, und einmal rief er 50 korrupte Beamte zusammen, befahl ihnen, sich nackt auszuziehen, und ließ sie von seinen Soldaten in Stücke hauen. Als er seinen Harem in Verdacht hatte, ihm untreu zu sein, ließ er sieben seiner Ehefrauen töten und erwarb sich damit endgültig den Ruf, »der Tyrann von Akko, der Herodes seiner Zeit, der Schrecken aller benachbarten Staaten und der fleischgewordene Blaubart« zu sein.
Europäer waren vom langen weißen Bart und den schlichten Gewändern des Schlächters ebenso beeindruckt wie von dem edelsteinbesetzten Dolch, der in seinem Gürtel steckte, und seiner zartsinnigen Gewohnheit, Papierblumen auszuschneiden, die er seinen Gästen gern zum Geschenk machte. Er verströmte einen makabren Charme, wenn er beispielsweise mit hintergründigem Lächeln zu Besuchern sagte: »Ihr werdet gewiss feststellen, dass mein Name meiner Strenge zum Trotz geachtet, ja geliebt wird.« Nachts schloss er sich in seinem Harem ein, dessen Bewohnerinnen 18 slawische Blondinen waren. [183] Dieser alte Mann stand nun Napoleon gegenüber, der in den besten Jahren war. Die Franzosen lagen vor der Stadt Jaffa, die der Hafen von Jerusalem und nur 30 Kilometer entfernt war. Jerusalem war in Angst und Schrecken versetzt: Die Familien hatten die Jerusalemer bewaffnet, christliche Klöster wurden vom Mob geplündert, die Mönche mussten zu ihrer eigenen Sicherheit in Gewahrsam genommen werden. Vor den Mauern der Stadt bat General Damas Bonaparte um die Erlaubnis, die Heilige Stadt angreifen zu dürfen. [138]
Napoleon: »Hauptquartier Jerusalem«
Napoleon erwiderte, er müsse zuerst Akko einnehmen, dann werde er »persönlich kommen und den Freiheitsbaum an der Stelle errichten, an der Christus selbst gelitten hat, und der erste französische Soldat, der im Kampf gefallen ist, soll im Heiligen Grab bestattet werden«. Offensichtlich waren Bonaparte und seine Truppen allerdings der Meinung, dass für ihren Kriegszug gegen die Muslime die Regeln des zivilisierten Umgangs mit
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