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Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Titel: Jerusalem: Die Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Sebag Montefiore
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    Sein Richtungswechsel machte sich in Jerusalem augenblicklich bemerkbar: Yusuf al-Khalidi musste Istanbul verlassen, und er verlor das Bürgermeisteramt an Umar al-Husseini. Wenn die Khalidis einen Niedergang erlebten, stieg der Stern der Husseinis auf. Mittlerweile holte Russland zum vernichtenden Schlag gegen die Osmanen aus. Der britische Premierminister eilte zu Hilfe.
    Jerusalemer Tätowierungen: Britische Thronfolger und russische Grossfürsten
    Disraeli hatte sich soeben vier Millionen Pfund von Lionel von Rothschild geliehen, um den Suezkanal zu kaufen. »Was bieten Sie als Sicherheit?«, wollte der Bankier wissen. »Die britische Regierung«, lautete dessen Antwort.
    1878 nun führte er die Verhandlungen beim Berliner Kongress so geschickt, dass die europäischen Regierungen Russlands Einfluss im Mittelmeerraum beschränkten und einen Vertrag unterzeichneten, der Großbritannien das Recht einräumte, Zypern zu besetzen. Sein Verhandlungsgeschick fand die Bewunderung des Reichskanzlers Otto von Bismarck, der, auf Disraeli deutend, bemerkte: »Der alte Jude – das ist der Mann.« Die Osmanen verloren weite Bereiche ihrer von Christen bewohnten europäischen Territorien und sahen sich gezwungen, den Juden und anderen Minderheiten weitere Rechte zuzugestehen. 1882 übernahmen die Briten die Herrschaft in Ägypten, das nominell aber weiterhin von der Dynastie der Albaner regiert wurde. Zwei junge englische Thronerben, Repräsentanten der britischen Kolonialmacht im Nahen Osten, besuchten Jerusalem auf ihrer Weltreise – Prinz Albert Victor, Prinz Eddy genannt, der spätere Duke of Clarendon, zu diesem Zeitpunkt 18 Jahre alt, und sein 16-jähriger Bruder Georg, der spätere König Georg V. [211]
    Sie schlugen ihr Lager auf dem Ölberg auf, an der gleichen Stelle, an der auch ihr Vater sein Quartier bezogen hatte, ein »großartiger Platz«, wie Prinz Georg notierte. Das königliche Lager bestand aus elf mit allem erdenklichen Luxus ausgestatteten Zelten, die von 95 Packtieren transportiert wurden und in denen 60 Bedienstete aufwarteten. Organisiert wurde die Reise vom König der Touristikunternehmer, Thomas Cook, einem baptistischen Prediger aus Derbyshire, der sein Reiseunternehmen 1869 damit begründet hatte, dass er eine Gruppe von Aktivisten der Abstinenzbewegung von Leicester ins nahe gelegene Loughborough brachte. Mittlerweile hatten sich Cook und seine Söhne, von denen einer die Prinzen begleitete, einen Namen als Vorreiter einer neuen Form des Tourismus gemacht. Sie heuerten Heerscharen von Dienstboten, Dragomanen (sprachkundige Reiseführer und Übersetzer) und Leibwächtern an, zum Schutz gegen Überfälle von Beduinen oder Mitgliedern des Abu-Ghosch-Klans, der nach wie vor die Straße von Jaffa nach Jerusalem kontrollierte und entweder bestochen oder in irgendeiner Weise in das Unternehmen einbezogen werden musste. Diese Reiseimpresarios zauberten aus luxuriösen Seidenzelten in orientalischer Pracht üppige Zeltstädte mit Speisesälen, Empfangssalons und sogar Heiß- und Kaltwasserversorgung. Das Ganze diente dem Zweck, dem betuchten englischen Reisenden einen orientalischen Traum wie aus Tausendundeiner Nacht vorzugaukeln.
    Thomas Cook hatte eine Niederlassung am Jaffator, dem Zentrum des neuen tourismusfreundlichen Jerusalem, dessen Wahrzeichen das soeben eröffnete Grand New Hotel oberhalb des Bathsheba-Brunnens war, wo König David angeblich Urijas Frau beim Bad beobachtet hatte. [212] 1892 wurde schließlich auch die Bahnstrecke nach Jerusalem fertiggestellt und die Stadt damit endgültig für den Pauschaltourismus erschlossen.
    Gleichzeitig mit der um sich greifenden Reisebegeisterung machte die Fotografie rasche Fortschritte. Es mag überraschen, war aber durchaus passend, dass der Hohepriester der boomenden Jerusalemer Fotografie Yessaya Garabedian, der armenische Patriarch war, »der vermutlich bestaussehende Potentat der Welt«, der die Kunst des Fotografierens in Manchester erlernt hatte. Zwei seiner Schützlinge legten ihr Priesteramt ab und gründeten in der Jaffastraße Fotoateliers, in denen Touristen Fotos von Arabern in »biblischen Posen« erstehen oder sich selbst in orientalischen Kostümen ablichten lassen konnten. Nicht selten blieben Gruppen russischer Pilger mit Schaffelljacken und dichten Bärten stehen und bestaunten die »blauäugigen, blonden englischen Damen«, die in »bestickten roten Kostümen« mit Stirnreifen aus Messing und »eng geschnürtem

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