Jerusalem: Die Biographie (German Edition)
Buch Mose heißt.
Hiskias Tunnel
Hiskia wusste um das grauenhafte Schicksal Babylons und baute in aller Eile Befestigungen um Jerusalems neue Stadtviertel. An mehreren Orten sind bis heute Teile seiner 7,50 Meter breiten Mauer erhalten, am imposantesten im jüdischen Viertel. Er bereitete sich auf eine Belagerung vor und befahl, von zwei Seiten einen 500 Meter langen Tunnel in den Fels zu hauen, der die Gihonquelle vor der Stadt mit dem Siloateich südlich des Tempelbergs unterhalb der Davidsstadt verband, der nun dank der neuen Befestigungsanlagen innerhalb der Stadtmauern lag. Als die beiden Bautrupps sich tief im Fels trafen, feierten sie den Erfolg mit einer Inschrift, die ihre erstaunliche Leistung festhielt:
[Als der Tunnel] getrieben wurde. Und so wurde er geschlagen. Als [sie] noch Hacken [schwangen], jeder Mann seinem Gefährten zugewandt, und noch drei Ellen zu durchbrechen waren, [hörten sie] eine Männerstimme seinen Gefährten zurufen, denn zur Rechten [und zur Linken] war ein Spalt im Fels. Und als der Tunnel durchgetrieben wurde, hackten die Bauarbeiter [den Fels], Mann gegen Mann, Hacke gegen Hacke; und das Wasser floss 1200 Ellen von der Quelle zum Sammelbecken, und über den Köpfen der Bauarbeiter war 100 Ellen dick der Fels. [19]
Nördlich vom Tempelberg ließ Hiskia eine Talsperre bauen und schuf so einen der Bethesdateiche, um die Wasserversorgung der Stadt zu verbessern. Außerdem verteilte er offenbar Nahrungsvorräte – Öl, Wein, Getreide – an seine Truppen, um sie auf Krieg und Belagerung vorzubereiten. In ganz Juda fand man Henkel von Tonkrügen mit dem Stempel lmlk – »für den König« – und mit seinem Emblem, dem vierflügeligen Skarabäus.
»Der Assyrier kam wie der Wolf in der Nacht«, schrieb Byron. Sanherib stand mit seiner riesigen Armee nun kurz vor Jerusalem. Wie die meisten assyrischen Könige dürfte auch er in einem schwerfälligen Dreispänner mit königlichem Baldachin gereist sein, dessen Pferde mit prachtvollen Federbüschen geschmückt waren; er selbst trug vermutlich ein langes, besticktes Gewand, einen flachen Helm mit Spitze, einen rechteckig geschnittenen, langen, geflochtenen Bart, zu Rosetten gedrehte Koteletten, ein Schwert in einem mit Löwen verzierten Heft am Gürtel und häufig einen Bogen in der Hand. Er sah sich eher als Löwen denn als biblischen Adler oder Byron’schen Wolf – assyrische Könige trugen Löwenfelle, wenn sie im Ischtartempel ihre Siege feierten, schmückten ihre Paläste mit Löwensphinxen und betrieben die Löwenjagd als Sport großer Könige.
Sanherib umging Jerusalem und belagerte das südlich gelegene Lachisch, Hiskias zweite befestigte Stadt. Flachreliefs in seinem Palast in Ninive zeigen, wie seine (und die judäischen) Truppen aussahen: Die polyglotte Imperialarmee der Assyrer trug geflochtenes Haar, Tuniken, Kettenpanzer und Spitzhelme mit Federbusch und war getrennt nach Wagenlenkern, Speerträgern, Bogen- und Schleuderschützen aufgestellt. Die Assyrer bauten Belagerungsrampen, Sappeure untergruben die Festungswälle, ein mit furchterregenden Spitzen besetztes Belagerungsgerät erschütterte die Befestigungen. Bogen- und Schleuderschützen stellten den vernichtenden Beschuss ein, als Sanheribs Infanterie über Sturmleitern die Stadt einnahm. Archäologen haben ein Massengrab mit den Leichen von 1500 Männern, Frauen und Kindern entdeckt, die teils durchbohrt oder gehäutet waren, wie es auf den Flachreliefs dargestellt ist: In Scharen flüchteten die Menschen vor dem Chaos. Jerusalem wusste, was es zu erwarten hatte. [24]
Im Handumdrehen besiegte Sanherib die ägyptische Armee, die Hiskia zu Hilfe geeilt war, verwüstete Juda, rückte gegen Jerusalem vor und schlug sein Lager nördlich der Stadt an derselben Stelle auf, die auch Titus fünfhundert Jahre später wählen sollte.
Hiskia vergiftete sämtliche Brunnen außerhalb Jerusalems. Seine Truppen, die auf den neuen Stadtmauern Stellung bezogen, trugen Turbane mit Stirnbändern und langen Ohrschützern, kurze Röcke, Beinschützer und Stiefel. Als die Belagerung begann, muss in der Stadt Panik geherrscht haben. Sanherib schickte seine Generäle zu Verhandlungen – Widerstand sei zwecklos. Der Prophet Micha sagte die Zerstörung Zions voraus. Aber Jesaja riet zur Geduld: Jahwe werde für sie sorgen.
Hiskia betete im Tempel. Sanherib brüstete sich, er habe Jerusalem umzingelt »wie einen Vogel im Käfig«. Aber Jesaja hatte recht: Gott griff ein.
Manasse:
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