Jerusalem
brachten sämtliche Türme, Steinschleudern, Manganen und Ballisten, die noch nicht völlig zusammengesetzt waren, in Stellung und vollendeten die Kriegsmaschinen. Schwitzende Mönche schleppten Steinbrocken, die Zimmerer schlugen große Pfeile zurecht, die Feuerkugeln, die in die Schleuderkörbe passten, wurden mit Öl und Pech getränkt und mit Strohseilen umwickelt. Unentwegt schossen die Normannen mit den Tzangra-Bögen, die sie von den Arabern auf Sizilien übernommen hatten und die weiter trugen als die Waffen der Seldschuken, auf die Verteidiger, die mit allen Kräften von den Mauern und Türmen antworteten.
Vom Fuß des Gonates-Turms, tief aus dem nassen Erdreich, ertönte seit Tagen ununterbrochenes gedämpftes Klirren und Krachen. Die Knechte schleppten Steine, Erdreich und Felsbrocken in Körben aus den Fundamenten des mächtigen Turms und zerrten auf dem Weg nach unten Stroh, Äste, Tonkrüge voller Öl und klafterweise trockenes Holz mit sich. Armbrustschützen, gedeckt von Schilden und eingerammten Bohlen, versuchten die Männer zu schützen, die den schrägen Schacht bis an die mächtigen Fundamente des Turms vorangetrieben hatten. Das sandbedeckte Schutzdach über dem Gang, durch den sich die halbnackten Männer wühlten, war von Steinbrocken, verschmorten Brandpfeilen und anderen Geschossen übersät. Butumites war mit seinen Unterführern zwei Mal zu dem schrägen Schacht geritten und hatte zweifelnd den Turm angestarrt; er schien so wenig zu erschüttern wie ein Felsenberg.
»Mit Gottes Hilfe«, wiederholte der General, »und mit nimmermüdem Bemühen. Erhofft Euch, Ihr Herren, nicht zu viel vom Fall eines Turms. Wir haben zwanzig Dutzend Mauertürme gezählt.«
»Es ist nicht der Turm. Es ist die Bresche, durch die wir eindringen werden.«
Bohemund schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. Die leeren Becher begannen klirrend zu tanzen, aus den gefüllten Gefäßen spritzte Wein und tränkte die Tücher. Butumites deutete mit missbilligendem Lächeln zur Stadt und sagte:
»Es wird schwerfallen, über die Steintrümmer zu reiten. Wie dem auch sei - reden wir darüber, dass wir Nikaia nicht brandschatzen und möglichst unversehrt in Eure Hände und in die des Kaisers legen.«
»So will es Gott«, sagte leise der Kaplan und machte sein Schreibzeug zurecht.
Krieger Christi nannten sich die Heere und deren Angehörige, dachte Butumites. Auf dem Weg nach Jerusalem würden sie vor keinem Hindernis, keiner Beute, keiner Strapaze zurückschrecken. Ihr Glaube, ihre Gier und der Hass auf die Muslime, gespeist vom Staunen und den Erfahrungen eines ganz anderen Lebens, trieben sie unaufhaltsam vorwärts. Auf zahlreiche Beweise dieser unbekannten, reichen Schönheit stießen sie auf ihrem dumpfen Weg, und ein gutes Stück des mörderisch schweren Weges würde er sie auf Befehl des Basileus begleiten müssen.
Am frühen Nachmittag erreichten die Reiter den Pfad, der sich am Berghang hinaufwand und zwischen Buschwerk und Bäumen verschwand. Auf diesen Berg hatten sich der Sultan und der größte Teil seines Heeres nach den Angriffen der gepanzerten Lanzenreiter zuerst geflüchtet. Ein kaum mehr wahrnehmbarer Geruch nach erkalteten Feuerstellen wehte den Reitern entgegen. Ein Fuchs mit rotem Fell schnürte über den Weg, verharrte und flüchtete dann ins Unterholz.
»Still!«, mahnte Berenger. »Langsam! Haltet Augen und Ohren offen!«
Langsam ritten sie weiter, schweigend und voller Wachsamkeit. Sie kamen an einem langgezogenen Acker vorbei, der wie frisch umgebrochen aussah und feucht-erdig roch; ein Rudel Wildsäue hatte sich in der Nacht darüber hergemacht. Ein gutes Zeichen, sagte sich Rutgar. Die Pferdehufe zertraten mitunter trockene Äste; trotz des hallenden Knackens geschah nichts Auffälliges. In den Zweigen lärmten Vögel und Grillen, im Duft unbekannter Kräuter und tropfenden Baumharzes summten Fliegenschwärme. Chersala und Rutgar, beide in leeren, sonnendurchglühten Ländern aufgewachsen, hoben die Köpfe, hielten den Atem an und lauschten. Ein einsamer Bussard oder Falke zog über der Hügelkuppe seine Kreise. Die Pferde waren ruhig und prusteten bisweilen; sonst gab es keine verräterischen Laute.
»Sie sind weg, Berenger«, flüsterte Rutgar. Er hörte, weit entfernt, einen Hund bellen.
»Ein Schäfer?« Berenger zuckte mit den Schultern. Boten aus dem Dorf Leuce, einen Tagesritt südlich Nikaias, hatten berichtet, dass die Seldschuken in großer Eile ihre Pferde getränkt, die
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