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Jerusalem

Titel: Jerusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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Ziegenbälge gefüllt und durch das Dorf geritten waren. Jeder, der ihnen zusehen konnte, war sicher, dass sie und der Sultan die Flucht ergriffen hatten. »Wäre ich der Sultan, würde ich mein Heer im Süden sammeln und die Belagerer immer wieder nachts angreifen.«
    Rutgar kitzelte seinen Rappen mit den Sporen und ritt auf dem Pfad weiter. Bisher hatten sie seit drei Tagen nichts gefunden außer erkalteten Feuerstellen, abgebrochenen Ästen, entwurzelten Grasbüscheln und Büschen und etlichen unbedeutenden Dingen, die Seldschuken auf der Flucht verloren hatten. Wieder hörte Rutgar aus der Ferne Hundegebell, dann eine harsche Stimme.
    »Du bist nicht der Sultan«, sagte Rutgar leise. »Er mag andere Pläne haben. Der Weg nach Jerusalem ...«
    »Wir wissen's. Er ist lang, beschwerlich und wird reich an Opfern sein.«
    Berenger nickte. Die Späher folgten ihm auf dem Pfad bis zur Kuppe des Hügels. Zwischen Baumstämmen hielt Rutgar sein Pferd an und sprang aus dem Sattel. Als er das Gebüsch teilte, konnte er in ein breites Tal hinein und auf die gegenüberliegenden Hänge anderer Hügel sehen. Eine große Schafherde weidete friedlich auf der gegenüberliegenden Seite; ein vertrauenserweckendes Bild. Berenger kam an seine Seite und ließ seine Blicke schweigend über die Landschaft gleiten.
    »Würden sich hier hungrige Bogenschützen verstecken, hätte der Schäfer die Herde längst in Sicherheit gebracht«, sagte er leise. »Nirgendwo Feuer und Rauch, keine aufgeregten Vögel, kein Pferd wiehert - sie sind im Süden, nach Dorylaion hin.«
    Rutgar deutete auf das Rinnsal in der Talsohle und auf einige schmale Ziegenpfade.
    »Prüfen wir es nach«, schlug er vor. »Wäre ich der Sultan, hätte ich ebenso Späher ausgeschickt wie Butumites und Tacitus.«
    »Tatikios heißt er. Klug und immer misstrauisch, Ritterlein. Gut so!«, murmelte Berenger und stieg in den Sattel.
    Sein Gefolge wendete die Pferde und war bemüht, keinen Lärm zu machen. Langsam ritten sie in langer Reihe den Pfad abwärts, auf die Straße hinaus und im kurzen Galopp zum nächsten Hügel. Im weiten Bogen näherten sie sich dem Schäfer und versuchten, die blökenden Schafe und Lämmer nicht auseinanderzuscheuchen. Zwei scharfe Pfiffe riefen den kläffenden Hirtenhund zurück. Berenger und Chersala ließen sich aus den Sätteln gleiten und gingen auf den Hirten zu, während die anderen Reiter den Waldrand sicherten und Rutgar die Zügel hielt.
    »Ich bin aus Drakon, Hirte«, sagte Chersala. »Und die anderen Bewaffneten gehorchen dem Mächtigen in Konstantinopel. Haben dir die Reiter des Sultans übel mitgespielt?«
    »Sie haben ein paar Hammel und Schafe geraubt. Es waren nicht die fetten«, antwortete der Hirt grinsend und zupfte an seinem verfilzten Kinnbart. »Sie sind alle fort. Sonst würden sie da nicht kreisen.«
    Sein Finger wies zu den Wolken. Über den Hügeln drehten ein Dutzend Störche ihre Kreise. Rutgar sah weder Geier noch andere Aasvögel.
    »Alle Seldschuken-Reiter sind geflüchtet?«
    Der Hirt pfiff seinem Hund und zeigte zum Rand der Herde. Der Hütehund sprang davon. »Nach Süden, im Galopp. Der Sultan und seine Emire - sie treffen das Heer dort, wo die Fremden vorbeireiten. Sie haben's mir nicht gesagt, aber ich kenne ihre Sprache.«
    Rutgars Arm beschrieb einen Halbkreis, der den Wald und die Hügel jenseits der leer gefressenen Weiden umfasste. Langsam zogen die Schafe stoßend, blökend und Gräser abweidend auf der Flanke des Hügels nach Osten. In weiter Ferne, hinter dem Hügel, krähte ein Hahn.
    »Wir finden also keine Seldschuken hier im Land und um die Stadt?«, fragte Chersala und starrte in das bärtige, wettergegerbte Gesicht des Schäfers. »Bist du sicher?«
    »Vielleicht eine Handvoll Späher. So wie ihr«, antwortete der Schäfer. Er wirkte auf Rutgar, als könnte nicht einmal der Weltuntergang seine Ruhe und Unbeweglichkeit erschüttern. »Sonst wäre meine Herde längst an den Bratspießen geendet.«
    »Das ist eine Antwort«, sagte Chersala und nickte lächelnd, »die wir glauben können. Wachstum und reichen Lämmersegen, Hüter der Herde! Wenn du guten Käse hast - bring ihn nach Nikaia. Dort zahlen die Franken gut.«
    »Ich will's mir merken.«
    Der Schäfer hob grüßend die Hand, blickte sinnend auf die Rücken seiner Tiere und sah zu, wie die Reiter aufsaßen und am Waldrand entlang zur Straße ritten. Berenger hatte im Schatten angehalten und betrachtete die abgeweidete Fläche. Die

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