Jerusalem
dunkelgrünen Grasflächen, leblose Muster zwischen den Büschen des Waldrandes, taten den Augen wohl; so nahe der Stadt und der wütenden Belagerung breiteten sich bäuerliche Ruhe und ungestörte Landschaft aus, als habe sich der Himmel mit dem Land zu ewigem Frieden verbunden. Berenger zügelte, als die Straße zu sehen war, sein Pferd und zeigte auf die Sonne.
»Noch drei Stunden, Freunde!«, rief er unterdrückt. »Weiter nach Süden. Wenn wir keinen fremden Reiter sehen, wissen wir, dass Sultan Kilidsch an anderer Stelle auf uns lauert.«
Berengers Reiter blieben tausend Schritte lang auf der Straße, teilten sich dann und folgten schmalen Ziegen- oder Wildpfaden, die zwischen dem kargen Wald oder dem dornigen Buschwerk verschwanden. Die Stille hielt an; auch hier sahen sie Spuren eines hastigen Aufbruchs, aber keine seldschukischen Reiter. Von Berenger wusste Rutgar, dass viele oder die meisten Krieger des Sultans Nomaden waren, die es verstanden, sich im weglosen, menschenleeren Land zu bewegen wie Füchse oder scheues Rotwild; aber hier ging es um ein ganzes Heer, das sich nicht zur Gänze unsichtbar machen konnte.
Berenger wählte den Weg, der links von der Straße abzweigte, galoppierte durch das nächste Tal und zur Kuppe des höchsten Hügels. Eine halbe Stunde lang hielten sie, verborgen im Halbdunkel des Rhododendrongebüschs, angespannt Ausschau nach versteckten Seldschuken. Nicht ein Laut war zu hören, kein verräterisches Blitzen von Metall, kein Pferdewiehern.
»Außer uns gibt es noch zahlreiche versteckte Späher des Generals«, sagte Berenger am frühen Abend. »Wenn der Sultan angreift, haben wir einen halben Tag, um uns aufzustellen.«
»Zurück ins Lager?«, sagte Cherso und leerte den Wassersack in den ledernen Futterbeutel. Ihr Pferd steckte das Maul tief in den Beutel und soff. »Oder suchen wir weiter?«
»Butumites wartet auf unseren Bericht«, antwortete Berenger und zog sich in den Sattel. »Zurück. Ohne Eile. Schont die Pferde.«
So leise und schnell wie möglich ritten sie zur Straße zurück; ab und zu fielen die Tiere in einen matten Galopp.
Viertausend kaiserliche Söldner, die beiden kleinen Heere der Generäle Butumites und Tatikios, halfen den fränkischen Kriegern. Die Stadt war nun vollständig eingeschlossen. Bisher hatten die Seldschuken nur einen Ausfall gewagt und keinen zweiten mehr. Die Verteidiger unter den Fahnen des Sultans zeigten keine Müdigkeit, keine Erschöpfung. Aber sie erkannten, dass sich die Belagerer auf einen Sturm vorbereiteten.
Von den Zelten der Heeresführer, die von Bediensteten umwimmelt wurden, rannten und ritten Kriegsknechte hierhin und dorthin, kamen zurück, überbrachten neue Botschaften und hüteten sich, in die Reichweite der Pfeile und Schleudersteine der Mauerbesatzungen zu kommen. Die Wälder rund um Nikaia lichteten sich; mehr und mehr Baumstämme wurden von den Zugpferden, Ochsengespannen und von vielen Männern herbeigeschleift. Die Felder, noch vor fünfzig Tagen hoch in der Erntereife stehend, waren leer und zertrampelt, aufgewühlt, kotbedeckt oder voller frischer Gräber.
Rutgar war erleichtert, im Lager des Butumites zu wohnen. Längst hatte er den Unterschied dieser Heere zu Peters ungestümen Pilgerscharen erkannt. Jene Fürsten, die sich als Militia Christi bezeichneten, scharten einen vielköpfigen Kreis aus Helfern um sich: Mundschenke, Köche und Zimmerleute, Schwertfeger und Pferdeknechte, Sattelmacher, Schmiede und Gespannführer, Seilschläger und Fleischhauer, Kornschroter, Bäcker und Schreiber, Sprachkundige, Mönche, die als Einzige vorlesen und schreiben konnten, Berater, Chronisten, Pfeilmacher, Wundärzte und Bartscherer - ihm, Peters Bewacher von einst, schien es, dass die wenigsten, die er sah, unbewaffnete Pilger waren. Keiner von denen bemühte sich um Sauberkeit; jeder stank und war voller entzündeter Wunden. Und noch immer blickte er in jedes Gesicht und fragte unzählige Male, wenn er Franzosen traf, nach seinem blauäugigen Stiefbruder. Indes - niemand schien Thybold zu kennen.
Tatikios und Butumites, deren befestigte Lager sich zwischen denen Bohemunds und Tancreds erstreckten, belagerten unmittelbar das Nördliche Tor, das sie »Konstantinopel-Tor« nannten. Zwischen ihren Zelten und Palisaden erstreckte sich ein breites Stück Fahrweg mit längst geplünderten Fruchtbäumen an beiden Rändern, das sich mit der Straße nach Civetot kreuzte.
Zwei Tage nach der Rückkehr der Späher sah
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