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Jerusalem

Titel: Jerusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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Heer des Generals - sicherlich habt Ihr mich gesehen, als wir hierherritten.«
    »Du musst weit hinter uns Rittern geritten sein«, antwortete der Herr von Roussillon. Nur Rutgar bemerkte, als er aus dem Sattel glitt, dass Berenger zusammenzuckte. »Sag deinem General Dank. Ich hab schon gespürt, wie der Turm gezittert hat.«
    Rutgar führte sein Pferd näher heran. Butumites' Männer luden ihre Werkzeuge ab und schulterten Hämmer, unterarmlange Meißel und Krüge voll mit griechischem Feuer. Sie warteten unschlüssig auf Berengers Befehle. Rutgar sagte in der Sprache der Provençe:
    »Um Vergebung, Herr von Roussillon. Ich bin Jean-Rutgar von Les-Baux, der Kampfgenosse Herrn Berengern, und mit Pierre de Amiens ins Land gekommen. Kämpft an Eurer Seite, vielleicht, mit Gottes Hilfe, mein Halbbruder Thybold?«
    Berengers ausgestreckter Arm wies auf den Eingang zum überdachten Tunnel, der schräg hinter den Baumstämmen begann. Unaufhörlich hasteten Männer und Frauen daraus hervor, die Steinbrocken und Erdreich in Körben auf den Schultern schleppten. Vor dem Lager Raimunds von Toulouse entstand quer über einen Weg, durch fast bis zur Unkenntlichkeit zerstörte Gärten und Zierhecken, eine grobe Aufschüttung. Graf Gerhard von Roussillon schüttelte langsam den Kopf; in sein halb verhülltes Gesicht, über das der Schweiß rann, kam ein wachsamer Ausdruck.
    »Einige Hundert arme Rittersöhne aus der Provençe und aus dem Burgund reiten mit uns«, sagte er und musterte Rutgar vom Kopf bis zu den Stiefelspitzen. »Aber diesen Namen hab ich nie gehört. Alt oder jung?«
    »Dreißig Sommer. Fünf Jahre älter als ich. Kühn und ehrlich. Große blaue Augen, schwarzes Haar, Falkennase.«
    Das Kopfschütteln blieb. Rutgar zuckte mit den Schultern und sah zu, wie Berenger seinen Männern Befehle erteilte. Einer nach dem anderen schloss sich den Trägern an, die zusätzlich zu den leeren Körben Wasserkrüge und Brotfladen hinab ins Halbdunkel des Stollens trugen. Im Boden verschwelten Brandpfeile und die Reste von Feuerkrügen; träge zog schwarzer Rauch über die Grasreste.
    »Ich werde trotzdem weitersuchen«, sagte Rutgar und führte sein Pferd zur Seite, als die Wagen wendeten und durch das Gewühl davonschaukelten. Er betrachtete missmutig seine verdreckten Stiefel und die lehmverklebten weißen Fesseln seines Pferdes und versuchte sich in all dem Lärm, dem Hin und Her der verschiedenen Geschosse, der hastenden Menschen und des Waffengeklirrs zurechtzufinden. Berenger schlug gerade dem Letzten seiner Männer auf die Schulter und sah ihm nach; der Turm, dessen Flanke zernarbt war von Brandspuren und Einschlaglöchern, stand drohend und dunkel und scheinbar unverrückbar, ohne zu zittern, rechts und links von Mauern gehalten.
 
    Länger als vierundzwanzig Stunden arbeiteten Butumites' Handwerker in der Höhle der Turmfundamente. In allen Lagern rüsteten sich die Ritter; morgen Nacht, hatte der General versprochen, würde der Gonates-Turm fallen. Sein Lager war zu zwei Dritteln leer; die Verbliebenen konnten sich eigenen Bedürfnissen widmen. Die meisten schliefen, satt und kaum gestört.
    Als Letzte zogen Chersala, Berenger und Rutgar ihre Pferde aus dem flachen Wasser der Lagune. Sie hatten die Tiere getränkt, gewaschen und gestriegelt und waren in der beginnenden Dämmerung mit einem Boot zwei Bogenschüsse weit auf den See hinausgerudert. Auch noch an dieser Stelle der Lagune fanden ihre Zehen Halt im Sand; vor Wohlbehagen stöhnend wuschen sie sich den Schmutz und den Schweiß vieler Tage von den Körpern.
    Chersala hatte sich notdürftig verhüllt; als sie auf dem Rand des Bootes hockten, die Füße im kühlen Wasser, sagte Berenger leise: »Hast du deinen Bruder gefunden, Ritterlein?«
    »Nein«, antwortete Rutgar, der den Arm um Chersala gelegt hatte und mannhaft sein Begehren unterdrückte. Chersala lehnte an seiner Schulter, und ihr Körper strahlte Jugendlichkeit, Hitze und Bereitschaft aus. »Aber ich suche weiter. Eine innere Stimme sagt mir, dass er nicht weit ist.«
    »Hoffentlich nicht gerade dann, wenn es Turmquadern hagelt.« Berenger ließ sich ins Wasser gleiten. »Ich wate zu den Pferden und zu unserem Zeug. Eine halbe Stunde nach Mondaufgang am Ufer, Knappe Cherso!«
    »Eine Stunde danach im Zelt«, murmelte Rutgar. »Ich zahl's dir heim, Berenger, auf gute Art. Danke. Lass dich nicht von den Mücken zerstechen.«
    Berenger hob den Arm aus dem Wasser und schwamm langsam zum Ufer. Nur sein Kopf

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