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Jerusalem

Titel: Jerusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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einigen Karren saßen und lagen Pilger und Kriegsknechte mit wundgelaufenen Füßen und stöhnende kranke Gefolgsleute. Das Land glich den Hügeln und Tälern südlich von Drakon und der Küste, die Rutgar zur Genüge kennengelernt hatte. Stundenlang waren weder Herden noch Menschen zu sehen; weit im Süden zerfaserten Rauchsäulen in der Sonnenglut.
    Nach zwei Tagen senkte sich die Straße zwischen hochragenden, zerklüfteten Felswänden in das Tal des Sangarios-Flusses. Bei einem Dorf, berichteten die Späher, führte eine Brücke über das seichte Gewässer. Trompetensignale und Boten riefen Fürsten, Grafen, Barone und Ritter zur Beratung zusammen, während sich die Späher untereinander und mit Tatikios verständigten.
    Bohemund, Adhemar von Le Puy und Gottfried von Bouillon entschlossen sich, den riesigen Heerbann zu teilen. Zwei Heere konnten sich mit Proviant, Wasser und Hilfsmitteln versorgen und leichter vorankommen. Bohemund wollte einen Heerzug anführen, der aus süditalienischen Normannen bestand, aus Nordfranzosen, aus den Bewaffneten des Stephan von Blois und des Grafen von Flandern. Ihnen sollte sich eine Abteilung von Kundschaftern und Spähern des Generals anschließen.
    Das andere Heer sollte aus den Provençalen des Grafen von Toulouse und den Lothringern Gottfrieds bestehen und aus einer Gruppe Franzosen, die Hugo Le Maisné anführte. Bohemund schien von vielen einflusslosen Adligen und Grafensöhnen als der wahre Anführer angesehen zu werden; Bischof Adhemar von Le Puy versammelte seine Getreuen um sich und schien zu zögern, sich dem einen oder anderen Heerbann anzuschließen.
    »Wir werden mit General Tatikios reiten«, sagte Berenger, nahm Chersala und Rutgar die Zügel ab und führte die Pferde zum Flussufer. »Helft den Frauen an den Feuern und beim Verbinden.«
    »Teilst du die Wachen ein?«, rief Rutgar dem Anführer nach. Berenger wies auf die Fahnen und die Karren, die Tatikios' Zelt umstanden.
    »Später! Er weiß schon längst, dass wir beobachtet werden.«
    Die Dörfler brachten Brot und Milch, Käse und Futter für die Tiere; es war gut, aber zu wenig für alle. Entlang der Flussufer entstand um eine Reihe kleiner Feuer ein flüchtiges Nachtlager. Nacheinander marschierten Wachen in alle Richtungen und verständigten sich mit lauten Rufen. Zu keiner Zeit wäre es für den Sultan und sein Heer leichter gewesen, die Fremden zu überfallen, aber die Nacht blieb ruhig. Berenger und Rutgar hatten die letzte Wache.
    In der Morgendämmerung ritten sie auf der Straße zurück zur Wagenburg, die der General hatte zusammenfahren lassen. Rutgar dachte an die wüsten Nachtlager Peters zwischen Köln und Civetot; zwar würde, so wusste inzwischen selbst Stephan von Blois, der Ritt nach Jerusalem weit länger als nur fünf Wochen dauern, aber viele der Gepanzerten wunderten sich, warum die Reiter des Sultans nicht angriffen.
 
    Bohemund, Fürst von Tarent, verließ mit seinen Truppen an der Spitze des größeren Heeresteils als Erster das Dorf und überquerte den Fluss. Einige Erdhügel, in denen Kreuze aus geschälten Ästen staken, zeigten flussabwärts den Rand des weit auseinandergezogenen Lagers. Dorylaion lag nicht weiter als zwei Tagesmärsche entfernt, aber die Straße schlängelte sich bergan und bergab, in zahllosen Windungen, und wenn die Reiter und die Fußsoldaten einen Hügel überwunden hatten, erhob sich vor ihnen der nächste. Der General hatte seinen Männern befohlen, alle Waffen mit sich zu führen, denn nur ein Narr würde glauben, dass die Berghänge und Hügelwälder menschenleer waren. Kundschafter hatten herausgefunden, dass des Sultans Vasall Hassan mit seinen Türken und das Heer von Danischmend Ghazi zu Kilidsch Arslan gestoßen waren - eine Menge berittener Krieger, die niemand mehr zählen konnte.
    Aber die Seldschuken und Türken hatten sich vorbildlich versteckt. Das Heer Bohemunds erreichte das weite Tal, die fruchtbare Umgebung der Stadt Dorylaion, ohne dass ein einziger Pfeil abgeschossen wurde.
    An der Spitze des zweiten Heeres, das in kurzem Abstand auf einer anderen Straße folgte, ritten »Einauge« Raimund, der Graf von Toulouse, und Gottfried von Bouillons Lothringer Gefolgsleute. Hugo von Vermandois folgte mit seinem kleinen Heer wohl gerüsteter Lanzenreiter. Odo von Bayeux und die Brüder Alberich und Ivo von Grandmesnil führten ihre Vasallen und Gefolgsleute an. Mit zwölf Dutzend Reitern, Kundschaftern und Spähern aus dem Haufen General

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