Jerusalem
neuer Trupp hinter dem aufgewirbelten Staub verschwand. »Damit sich keiner verirrt und alle den Dorylaion-Pass erreichen.«
»Sind wir ... ich hoffe es, bei deinen Reitern?«, fragte Chersala. Berenger nickte dreimal. »Butumites hat uns befohlen, euch bis nach Antiochia zu begleiten. Anordnung des Basileus. Mit Tatikios und allen Belagerungsmaschinen.«
»Weil der Basileus alle wichtigen Städte von den Franken zurückerobern lassen will«, murmelte Rutgar. »Und alle Straßen, Brücken, Pässe und Brunnen sollen die fremden Krieger für ihn sichern.«
»So ist es«, antwortete Berenger und legte die Hände auf das ölige Leder seiner Reiterhose. »Hört, ihr zwei - bis Nikaia waren es leichte Kämpfe. Euch haben nur Mückenstiche verletzt. Hinter dem Pass seid ihr wirklich in der Fremde. Grausamer Durst! Kälte und Regen, keine guten Wege, und hunderttausend mordgierige Seldschuken. Hitze, Hunger, Wunden, Krankheit und Tod!« Er leerte den Rest Wein aus dem Krug in die Becher und bohrte seine Blicke in Rutgars und Chersalas Gesichter. »Warum gehst du, Ritterlein, nicht mit deinem unzüchtigen Knappen zurück nach Drakon, und dort lebt ihr zufrieden bis an euer Ende?«
Rutgar starrte den Freund betroffen an. Berenger hatte seine Finger in Rutgars offene Wunde gelegt. Unbewusst suchte er in seinem Gürtel und fand den Ring, den ihm der sterbende Seldschuke gegeben hatte. Er drehte das schwere Schmuckstück verlegen zwischen Daumen und Zeigefinger. Wenn die christlichen Heere den Zugvögeln glichen, die in Schwärmen südwärts flogen, so fühlte er sich wie einer von ihnen; die Menge zog ihn mit sich. »Was du fragst, Freund, hab ich mich selbst oft gefragt. Ich bin zu unerfahren, hab nur wenige Antworten. Die Heere aus meinem Land ziehen mich mit; du weißt, dass ich noch immer Thybold suche.« Er hob ratlos die Hände. »Heute, mit den Münzen des Basileus, bin ich reicher als jemals zuvor. In fünf Wochen stehen wir vor Jerusalem - der Weg dorthin ist kürzer als die Reise zurück in die Provençe. Bin ich sicher, das Richtige zu tun? Nein, Berenger. Aber vielleicht kann ich erst mit meinem Anteil an der Beute von Antiochia ein steinernes Haus in Les-Baux bauen.« In den Blicken Chersalas und Berengers sah er die gleiche Unsicherheit, wie er sie spürte. Gedankenlos spielte er mit dem Ring, hielt ihn in die Sonnenstrahlen, blinzelte halb geblendet. Dann sprach er zögernd weiter: »Ich werde nie zu den hohen Herren gehören. Manche Gedanken sagen mir: Geh zurück nach Drakon oder Les-Baux. Viele Stimmen flüstern: Reite mit ihnen und versündige dich nicht im Kampf. Also?«
»Also werde ich auf euch zwei unmündige Geschöpfe weiterhin mein Auge richten müssen«, antwortete Berenger nach langem Schweigen. »Ihr sollt wissen: Für jeden von uns, für jeden Einzelnen, wird es ein Ritt, auf dem ein Drittel aller Pilger verderben, verdursten, verkommen.«
»Ich sorge dafür, dass wir nicht zu denen zählen«, sagte Rutgar und versenkte den Ring wieder in die Tasche im ledernen Gürtelfutter.
Von Tatikios' Mannen geführt, zwei beschwerliche Tage lang, ritten und fuhren, schritten und stolperten vielleicht fünfzig-, sechzigtausend Menschen auf einer unbefestigten Straße nach Süden, von der man sagte, sie sei tausend Jahre alt oder gar älter. Bohemund und Raimund, der Graf von Toulouse, die Normannen aus dem südlichen Italien und dem nördlichen Frankreich, angeführt von Stephan von Blois und Robert, dem Grafen von Flandern, vor denen romanische Söldner und die Truppe des Generals Tatikios ritten, unterstützt von Kundschaftern, Wege- und Sprachkundigen, schnellen Reitern auf leichten Pferden, so wanderten die Heere unaufhaltsam, in guter Ordnung wie ein ruhiger Fluss nach Südosten und Süden.
General Tatikios führte die vielen Tausende an. Es gab, dank kleiner Bäche und Quellen, in den Tälern genug Wasser. Über dem Zug, der sich in glühender Hitze entlang der Hügelflanken wand, kreisten Geier, aber sie warteten vergeblich auf verendete Tiere oder die Leichen von Pilgern. Leere Karstebenen, auf denen Fliegenschwärme und Mücken wimmelten, wechselten mit Bergwäldern ab, in deren Schatten sich Mensch und Tier erholen konnten. Kundschafter meldeten, dass sich seldschukische Reiter in den Wäldern versteckten. Hin und wieder scheuchten sie Vogelschwärme auf, die in großer Entfernung vom Heerwurm kreisten. Rutgar und Chersala ritten mit vielleicht vier Dutzend Männern, die sie kannten. Auf
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