Jerusalem
Zelte und Feuerstellen abgebaut; der General hatte seine Residenz in der Stadt aufgeschlagen. Der Waräger ließ sich, einen Krug und etliche Becher in den Händen, schwer auf den Schemel fallen.
»Noch geht's uns gut, bei Gott! Nicht wahr?« Er zwinkerte Chersala zu, die einen Ziegenbalg umgestülpt hatte und über einem Wasserschaff reinigte. Rutgar nahm die Becher und stellte sie auf ein Brett, das er über beide Sättel gelegt hatte.
»Noch freuen wir uns über das Nichtstun«, sagte er. »Aber was ich über die Wege nach Antiochia gehört habe, macht mich ängstlich. Durch ein Land, das nicht einmal du kennst.«
»Auch ihr sterbt nur einmal«, sagte Berenger, lachte herausfordernd und füllte die Becher. »Hast du gesehen, wie wenig die Belagerung in der Stadt angerichtet hat?«
»Es gab nicht viele schwere Schäden«, antwortete Rutgar. Er war mit Chersala vier Mal durch das Stadttor gegangen, hatte an zwei Gottesdiensten in den kaum beschädigten Kirchen in der Stadtmitte teilgenommen und Nikaias Häuser, Gassen und Plätze mit jenen Städten verglichen, die er kannte: Sie ähnelten anderen steinernen Häusern und schienen doch ganz anders zu sein - farbiger, kunstvoller, mit vielen sinnreichen Verzierungen und, nun ja, schöner; es musste eine Wohltat sein, darin wohnen zu dürfen. Palmen, Kastanien- und Nussbäume säumten die Plätze, Wasser sprudelte aus vielen Brunnen, aber die Bewohner waren sicherlich weniger reich als die Konstantinopels. Sie trugen aber Gesundheit und die ruhige Gewissheit zur Schau, die Besatzung der Seldschuken ebenso ertragen zu können wie die erneute Herrschaft Konstantinopels. Die Spuren der Geschosse waren nur an den Hausfronten und Dächern unmittelbar jenseits der Mauern und Türme zu sehen.
Stadtbewohner und Bauern, die sich in den Schutz der Mauern Nikaias geflüchtet hatten, betrachteten hilflos und erschreckt die Schäden ihrer Gärten, Haine und Äcker, die umgehauenen Bäume und die schiefen, versengten Palisaden. Scharen von Handwerkern arbeiteten daran, die Schäden auszubessern, Ochsengespanne pflügten die Felder um.
»Sie hätten die Belagerung noch lange aushalten können. Aber dem Basileus ...«
»... war an einer unzerstörten Stadt gelegen«, beendete Berenger und füllte vier Becher. »Wein aus Fässern in Nikaias Gewölben. Wohl bekomm's.«
Die Heere hatten sich zum Aufbruch gesammelt. Am 26. Tag des Johannismonds waren, von wegkundigen Söldnern des Kaisers unter dem Befehl des Generals Tatikios angeführt, einige Hundert Ritter als Vorhut losgeritten. Die letzten Zelte wurden abgebrochen und auf Karren und die Rücken der Tragtiere geladen. Bischof Adhemar und Raimund von Toulouse ritten um eine schiefe Palisadenwand herum und betrachteten schweigend, wie eine Reihe Karren, von Ochsen gezogen, zur Straße schaukelte. Eine Gruppe Reiter, die schwer beladene Saumtiere hinter sich herzogen, folgte den Gespannen. Rutgar sah, dass die Tiere ungewöhnlich viele Wasserbehälter trugen.
»Als erstes Heer haben sich die Normannen auf den Weg gemacht«, sagte Berenger und leckte sich die Lippen. »Stephan von Blois hat seiner Gattin einen Brief geschickt; in fünf Wochen, schrieb er, würde er bis Jerusalem reiten. An der Brücke über den Geuksu-Fluss, den wir ›Blauer Fluss‹ nennen, warten sie auf die anderen.«
»Das Ziel aller Bewaffneten ist Dorylaion«, antwortete Chersala. »Und dann Antiochia. Reitet General Butumites mit den fränkischen Herren?«
»Nein. Er bleibt in Nikaia. Knapp dreitausend Männer«, sagte Berenger und schenkte nach. »Die Hälfte von uns, die andere von Tatikios, reiten mit Tatikios. Der Basileus geruht, durch uns die Fürsten machtvoll an ihre Eide zu erinnern.«
Ein Teil der Heere nach dem anderen verließ das Weichbild Nikaias und zog zur alten rhomäischen Heerstraße weiter, in die jene Straßen mündeten, die von Nikomedia und von Helenopolis heranführten. Das Land bis nach Dorylaion war voller Täler und Hügel; hervorragende Verstecke für die Späher des Sultans. Butumites hatte keinen Zweifel daran, dass Arslan Kilidsch von der Übergabe Nikaias wusste und davon, dass seine Familie mit königlichen Ehren in Konstantinopel festgehalten wurde. Butumites vermutete nicht zu Unrecht seldschukische Späher, die alle Schritte der Frankenheere beobachteten. Die beiden Fürsten wendeten ihre Pferde und trabten zu den Resten ihrer Lager zurück.
»Meine Reiter werden die Nachhut stellen«, sagte Berenger, als ein
Weitere Kostenlose Bücher