Jerusalem
Ihre Schilde starrten wider von abgebrochenen und gesplitterten Geschossen, die Helme waren von harten Einschlägen getroffen worden, im Fell der Pferde bluteten lange Schnittwunden. Einige Pfeile hatten sich im Schwanz und in den Mähnen verfangen.
»Zur Seite, Berenger!«, brüllte Rutgar, riss einen baumelnden Pfeil aus der Mähne seines Pferdes und setzte die Sporen ein. Er preschte neben Berenger dicht vor der Linie seldschukischer Reiter nach links, auf die Phalanx der gepanzerten Ritter zu.
Eine Handvoll Armbrustschützen kauerte hinter einem Karren und jagte Bolzen um Bolzen in die Körper der Bogenschützen. Die Seldschuken bewegten sich kaum, während sie ihre Pfeile abschossen, und boten dadurch gute Ziele. Pferdeschädel barsten in Blut, Hautfetzen und Knochensplittern, wenn die schweren Geschosse mit den geschliffenen Eisenspitzen trafen. Scheinbar ohne jeden Widerstand durchschlugen die Bolzen und die Pfeile der Langbogen die leichten Panzerungen der sarazenischen Bogenschützen; manche Geschosse verwundeten und töteten Männer, die hinter den zuerst Getroffenen vorbeiritten.
An vielen Stellen des Lagers, meist in einem breiten Streifen vor dem Viereck der Wagenburg, lösten sich die kämpfenden Gruppen in unzählige Einzelkämpfe auf. Gepanzerte Ritter trieben ihre Rosse in enge Kreise oder zwangen sie, sich wie wild zu drehen und auszukeilen. Vom Sattel aus teilten sie wilde Schwerthiebe aus, zerschlugen Schilde der Sarazenen, spalteten Schädel und zertrümmerten Brustkörbe, kreuzten brüllend ihre Schwerter mit den geschweiften Klingen der Angreifer und rissen, wenn sie keinen Gegner mehr neben sich sahen, die Lanzen aus dem Boden und sprengten weiter.
Von der einen Seite kamen in breiten Angriffswellen frische Seldschukenreiter heran, von der anderen donnerten gepanzerte Keile von Kreuzfahrern mit stoßbereiten Lanzen in die Haufen der Bogenschützen hinein. Wie riesige Hornissen surrten Pfeile und Armbrustbolzen durch den Staub. Von überall her klirrten die Schneiden von Blankwaffen aufeinander. Schreie, Flüche und Anrufungen mischten sich mit dem Wiehern und Prusten der schäumenden Pferde zu einem grässlichen Tosen. Und immer wieder senkten sich Wolken aus Pfeilen auf die Franken und erzeugten auf Schilden und Rüstungen knatternde, pochende und hämmernde Geräusche. Wieder Schmerzensschreie und Flüche aus Hunderten Kehlen! Wieder Kampfrufe:
»Allāhu akbar! Toulouse! Toulouse! Jerusalem! Gott mit uns! Deus lo vult!«
Mitunter tauchte aus dem Gewimmel der riesenhafte Bohemund von Tarent auf, der unverletzlich zu sein schien und offenbar über die Kräfte mehrerer Männer verfügte. Er mähte blutige Gassen durch die Reihen und Ballungen der leichten Reiter. Hinter ihm galoppierte sein Fahnenträger einher, dessen Schild mehr als hundert abgebrochene Pfeile spickten. Über das Getümmel ertönten, laut wie die Stimmen der Engel, langgezogene Trompetensignale. Rutgar, der mit der flachen Hand einige Pfeilschäfte aus dem Schild schlug, wandte sein Pferd und rief Berenger zu:
»Das muss Bischof Adhemar mit seinem Anhang sein!«
»Er kommt nicht zu spät!«, gab Berenger zurück. Er hing weit aus dem Sattel und zog seinem von Staub und Schweiß bedeckten Rappen einen Pfeil aus dem Vorderschenkel. Niemand konnte sehen, woher die gepanzerten Reiter kamen, aber die Signale hallten über das Schlachtfeld und rissen nicht ab. Die Sonne war ein glühender kleiner Kreis jenseits der Staubwolken. Männer und Pferde keuchten, ihre Augen tränten, in den Rachen würgte Übelkeit. Das gesamte Tal war in ein unwirklich fahles Licht getaucht; die Sonne taumelte durch Wolken aus Rauch, Hitze und fahlgelbem Staub. Zwischen den christlichen Kriegern huschten Frauen und Jungen hin und her und schleppten Krüge voll Wasser zu den Kämpfenden und versuchten, hinkende und blutüberströmte Überlebende ins Innere der Karrenburg zu tragen.
Tancred und zwölf Dutzend seiner Reiter, von den Kämpfen schwer gezeichnet, gelang es, sich zu Robert von Ansa durchzukämpfen und zu Richard Prinzipatus aufzuschließen. Die verschiedenen christlichen Heere waren in einer auseinandergezogenen Linie geradeaus geritten und hatten, als sie die Sarazenenreiter sahen, fast im gleichen Augenblick ihre Pferde nach links herumgerissen. Quer über fast die gesamte Talebene waren die Sarazenen herangeflutet und hatten so das Lager einschließen können. Eine waagrechte Linie traf auf einen Kreisring; die schwere Kavallerie
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