Jerusalem
der Boden weich genug war, hoben die Überlebenden Gräber aus. Priester sprachen die Sterbegebete und zählten die Körper der Erschlagenen und Verstümmelten; am späten Nachmittag waren es schon eintausendneunhundert Christen und anderthalbtausend Seldschuken. Am Lagerrand türmten sich Haufen schartiger Waffen, Helme und Schilde. Die Jungen fingen herrenlose Sarazenenpferde ein, führten sie zu den Brunnentrögen und sattelten sie ab. Im Triumph wurden die kostbaren Zelte des Sultans und viele Tragtierlasten voller silberner und goldener Münzen, Hacksilber und fingergroßer Goldstäbe und Geschmeide herangebracht.
In den Zelten und unter den Schattenleinwänden hörte man das Wimmern, Ächzen und Schreien derer, die an Wundschmerz litten. Feldscher und Wundärzte, in blutgetränkter Kleidung, versorgten die zu Tode erschöpften Ritter, während sich viele Wanderer zu den Dankesgottesdiensten sammelten. In der Hitze begannen sich die herausgerissenen Därme und Innereien der Kadaver aufzublähen. Das versickernde, trocknende Blut, Kot und Breifladen aus zerrissenen Mägen überzogen mit ihrem Gestank den Umkreis des Lagers mit dem Ruch des Sterbens und Todes.
In den Stunden der größten Hitze trafen die Trosse des großen Heeres und die Nachhut Bischof Adhemars ein. Plötzlich gab es doppelt so viele Helfer, die in der Gestankwolke Gräber ausschachteten, die toten Seldschuken ausplünderten, Zelte aufstellten, Wasser und Wein ausschenkten und Fladenbrote zu backen begannen. Nach kurzer Suche fanden die Lehensmänner Roberts von Paris und Humfrieds von Monte Scabioso ihre Herren. Die Ritter waren mit Pfeilen gespickt und voller tödlicher Wunden. Ungefähr dreitausend Paar brauchbare seldschukische Stiefel und Schuhe, manche blutverkrustet, fanden schnell neue Besitzer, ebenso Ringe, Armbänder, Halsketten und Münzen, Gürtel und Reitermäntel aus leichtem, unbekanntem Stoff. Nicht eine Wolke zeigte sich am Himmel, die Hitze blieb gnadenlos, auch als die Schatten zu wachsen begannen. Waffen und erbeutete Kleidung wurden auf die Karren verladen; alles Brauchbare verteilte sich zwischen den vielen Tausenden und verschwand auf wunderbare Weise. Frauen schleppten Kessel voll heißem Wasser zu den Plätzen, an denen die Verwundeten versorgt wurden.
Am frühen Abend kehrten Heeresteile zurück, die den Seldschuken nachgesetzt hatten. Reiter und Pferde schleppten sich staubverkrustet und abgehetzt ins Lager, aber die Satteltaschen waren voller Beute. Viele Reiter, deren Tiere nicht unter den Anstrengungen des Kampfes gelitten hatten, verfolgten weiterhin die Reste des Sultansheeres. Erbeutete Reitpferde, Packtiere und selbst das Schlachtvieh mussten die gewaltige, großartige Siegesbeute zum Lager der christlichen Pilger schleppen. Die Franken bewunderten die kostbaren, oft mit Gold bestickten Gewänder und die wertvoll verzierten Gegenstände des täglichen Gebrauchs; viele kleine, kunstvoll hergestellte Dinge drehten sie verständnislos in den Fingern.
Alle Seldschuken aus Dorylaion waren in wilder Hast geflüchtet und hatten sich dem zurückströmenden Heer angeschlossen. Als die Söldner der Generäle Butumites und Tatikios in der Abenddämmerung von ihrer wilden Verfolgung zurückkehrten, standen die Zelte ihres Lagers zwischen lodernden Feuern. Zwischen ihnen und dem Lagerrand des großen Heeres waren Erdwälle aufgeworfen, neben denen tiefe Gruben klafften. Nach und nach wurden sie mit toten Seldschuken gefüllt. Um Mitternacht zählte man fast dreitausend starre Leichen. Im Fackellicht zerrten Reiter die Kadaver der Pferde und Maultiere vom Schlachtfeld, indem sie die Hinterbeine zusammenbanden und das andere Seilende um das Sattelhorn knoteten; Mähnen und Schwänze, aus denen man gute Schnüre flechten konnte, wurden abgeschnitten; die leichten Sättel der Sarazenen waren eine ebenso willkommene Beute wie deren ausdauernde Pferde.
Beide Rappen hatten die Köpfe bis fast zu den Nüstern tief in den Trog getaucht und soffen. Rund um den Pferch der Reittiere brannten Fackeln und Lagerfeuer, über denen Wasserkessel hingen. Berenger, Rutgar und Chersala striegelten schweigend ihre Tiere und versorgten die Wunden, strichen Salbe in die Schnitte und knoteten Binden um die Läufe. Die meisten Pferde hatten den Kampf verhältnismäßig gut überstanden: Fünf Tiere hatten die Reiter nach dem langen Ritt töten müssen, aber Berengers Gruppe war es gelungen, elf gesattelte Seldschukenpferde einzufangen,
Weitere Kostenlose Bücher