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Jerusalem

Titel: Jerusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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heulend in hohem Bogen zum Schlachthaufen der Ritter, bildeten wieder eine jener tödlichen Wolken und fuhren fast senkrecht hinunter. In vollem Galopp drang Rutgar, gefolgt von Berenger und einem schreienden, heulenden Haufen Reiter, auf die Seldschuken ein. Der Pferdekörper unter ihm schien die Kraft der Muskeln und Knochen auf Rutgars Körper zu übertragen. Rutgar sah die Pfeile, die auf ihn zukamen und ihn trafen, als ritte er unantastbar neben sich und nähme alles Geschehen wie in seinen Träumen wahr, in denen er unsichtbar war. Vor ihm gab es plötzlich keinen Gegner mehr. Sein Schädel dröhnte, sein rechter Arm zitterte, der Rappe senkte unwillig den Kopf und drehte sich wild auskeilend auf der Stelle. Rutgars Blick glitt über zuckende, blutüberströmte Pferdeleiber, losgerissene Sättel, über tausend Pfeile, die überall steckten, scheinbar unversehrt oder abgebrochen, über tiefe Wunden in leblosen Körpern, über die Kruppen der Pferde, deren Reiter flach auf deren Hälsen lagen und flüchteten, auf die bewegte Mauer der Ritter, die anscheinend im Kreis um ihn und die anderen rhomäischen Söldner herumritten, und schließlich auf Berenger, der mit dem gepanzerten Arm die Pfeilschäfte auf seinem Schild in einer einzigen, wilden Bewegung knickte.
    Jeder, den Rutgar erkannte, war vom Helm bis zu den Knien von Blut und Blutspritzern bedeckt. Er atmete keuchend, sah fliehende und angreifende Seldschuken, verwundete und angriffslustige Söldner und ritt auf Berenger zu.
    »Wir haben sie in die Flucht geschlagen!«, schrie er.
    »Es ist noch nicht zu Ende!«, brüllte Berenger. »Zurück! Zu unserer Fahne!«
    Die Söldner gehorchten den befehlenden Gesten, die er mit dem blutigen Schwert gab, und ritten aus der Kampfzone hinaus. Sie sammelten sich in einem engen Kreis und spähten nach dem nächsten Gegner aus. Sie waren erschöpft, nicht weniger als die fränkischen Ritter, die sich zum dritten Mal gesammelt hatten, eine neue Angriffsspitze bildeten und mit Geschrei, sich gegenseitig anfeuernd, waffenklirrend, mit abgebrochenen Pfeilen gespickt und mit gefällten Lanzen auf die Angreifer losritten. Unter Tausenden trommelnder Hufe wallten mächtige Staubwolken auf.
    Sonnenstrahlen zuckten durch den Staub und blitzten von Helmen und Schilden. Die langen Lanzen, an denen kleine Wimpel flatterten, reckten sich den Horden der schnellen Reiter entgegen. Der Hufschlag einiger Hundert schwerer Streitrosse glich näher kommendem Donner. Durch die Staubwolken prasselten Steine und Erdbrocken. Schwerthiebe hämmerten auf die Seldschuken nieder, Streitäxte klirrten, Streitkolben schlugen donnernd auf Schilde und in Körper.
    Die kleinen Schilde der Bogenschützen brachen und splitterten. Berengers Reiter teilten tödliche Hiebe aus und dachten nicht an die Pfeilschauer, die sie zuvor gefürchtet hatten. Während verwundete und sterbende Reiter aus den Sätteln stürzten, während zuckende Körper unter die Hufe durchgehender Pferde gerieten, Schilde und Schwertschneiden gegeneinanderklirrten, retteten sich die überlebenden Seldschuken in alle Richtungen.
    Sobald sich Berengers Krieger wieder gesammelt hatten, rissen die Seldschuken Pfeile aus den Köchern, spannten die Bogensehnen und lösten erneut Schuss um Schuss. Pfeilschauer stiegen steil in die Höhe, schienen dort viele Herzschläge lang unbeweglich zu schweben und kippten dann mit den Spitzen nach unten. Senkrecht schlugen sie wie schwere Hagelschlossen ein; unterschiedslos in Schilde, auf Helme, in Schultern, Sattelränder, Pferdehälse, Kruppen und die Rücken der Reiter, in den Boden, gegen Schwerter, durch die Maschen der Kettenhemden und in ungeschützte Oberschenkel. Ein einziger tosender Schmerzensschrei brach sich Bahn, durchgellt vom kreischenden Wiehern Dutzender und Hunderter Pferde, von denen viele, ebenso wie ihre Reiter, von Pfeilen starrten. Jede Bewegung ließ die bunte Befiederung der Geschosse schwanken und wippen. Die Tiere keilten aus, schüttelten sich und katzbuckelten, warfen die Reiter ab und wälzten sich blutend und sterbend auf dem Boden. Knurrende und geifernde Hunde sprangen zwischen den Kämpfern umher und versuchten ihre Zähne in Pferde und Reiter zu schlagen. Hin und wieder sah man einen Hundekörper mit zerschmetterten Gliedmaßen nach einem Hufschlag aufjaulend durch die Luft wirbeln.
    Berenger und Rutgar, die an der Spitze ihrer Reiter gekämpft hatten, waren von schweren Verwundungen im Pfeilregen verschont geblieben.

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