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Jerusalem

Titel: Jerusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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verfolgten.
 
    Fünf dicke Kerzen und ein halbes Dutzend Ölflämmchen brannten vor dem Zelt. Rutgar hatte sich nach langer Zeit wieder entschlossen, aufzuschreiben, was seine Gedanken bewegte, und Herrn Neidhart zu Köln und Erzbischof Herrmann das Schicksal Peters des Eremiten und der anderen Anführer der christlichen Heere zu zeigen. Er hielt im Schreiben inne und spürte Chersalas Brust unter dem Lederwams im Rücken. Er blickte hoch und begegnete ihrem Lächeln. Sie lehnte an seiner Schulter und sah zu, wie sich ein Wort nach dem anderen aus kleinen Buchstaben gliederte.
 
    General Manuel Butumites, der die Belagerung Nikaias geleitet und unsere Handwerker so vieles über Schleudern, Ballisten und Türme gelehrt hatte, blieb zu Nikaia zurück und sicherte die Stadt und das Land für den Basileus. Unser Feldherr, General Tatikios, nahm einen Teil der Söldner des Butumites in sein kleines Heer auf. So kam ich zu den Kundschaftern und Späherreitern des Generals, der die christlichen Herren bis nach Antiochia geleiten wird. Unter unseren zweitausend Reitern sind nur ein Dutzend von den Pfeilen der Seldschuken getötet worden. Mehr als hundert sind es nicht, die schwere Wunden davongetragen haben. Ich und meine Freunde sind unversehrt, dank des Herrn, dessen Hand schützend über uns war und der uns schwere Goldmünzen als Beute bescherte.
    Am 3. Tag des Heumonds wird das Heer nach Süden aufbrechen, in unbekannte Ländereien, die in der Hand der Seldschuken sind. Der Heerbann wird sich nicht teilen wie auf dem Weg von Nikaia her. Wir, die Späher des Tatikios, werden an der Spitze und am Ende des Zuges reiten, denn die Straßen sind unsicher, und das Heer ist langsam und schwerfällig. Wenn mein Traum wahr wird, so werden wir lange und entbehrungsreiche Tage im Sattel darben und in vielen Kämpfen siegen müssen. Möge Gott uns beistehen.
 
    Rutgar verschloss das Tintenkrüglein und blies auf das Pergament. Leise sagte er zu Chersala: »Von Berenger weiß ich, dass in dem Land dort seit zwanzig Jahren gekämpft wird. Zu der Plage der Seldschuken kommen noch Durst, Hunger und ausgetrocknete Brunnen. Die Seldschuken haben verbranntes, verwüstetes Land zurückgelassen.«
    »Was sollen wir tun?«, fragte sie flüsternd und sah sich um. »Zurück nach Nikaia und Drakon?«
    Er zuckte mit den Schultern. Sie waren allein vor dem Zelt. Trotzdem fühlte er sich beobachtet. Auch wenn das Heer keine hundert Tage bis Antiochia brauchte, würde es ein erbarmungsloser Ritt werden, den viele Pilger nicht überleben würden.
    Rutgar strich das Pergament glatt und schob es in die Tasche. Im Schatten der Zeltleinwand nahm er Chersalas Hand; ihre Finger verschränkten sich.
    »Ich weiß es nicht«, antwortete er ebenso leise. »Wir sind heil davongekommen und sind reicher als zuvor. Unsere Gürtel sind schwer vom Gold. Willst du zurück, Liebste?«
    Sie schüttelte stumm den Kopf und legte die Hände auf Rutgars Schenkel. Sie nahm an seinem Traum teil, der aus einigen Pfund Gold und Silber bestand, mit dem Preis für die Heimkehr aus Jerusalem und ein gutes Leben in Beausoleil in der Provençe. Mit Chersala als Herrin des Hauses an seiner Seite. »Wir werden alle Kämpfe überleben. Und wo andere verdursten - wir finden Wasser und Beeren und wilde Ziegen.« Chersala legte den Arm um seine Schultern und fuhr leise fort: »Wir bleiben zusammen, Liebster.«
    Er nickte. Der größte und beschwerlichste Teil seines Weges lag hinter ihm; dessen war er sicher. Er bohrte seinen Blick in Chersalas Augen, musterte ihr Gesicht, das halb im Dunkeln lag, und er vermochte nichts anderes zu finden als Schönheit, Liebe, Sicherheit und Zuversicht. Er legte seine Hände auf ihre und hielt sie so lange fest, bis er in der Zeltgasse Berenger erkannte, der auf sie zukam, mit nacktem Oberkörper, auf dem dick über dem Schorf die Salbe glänzte.
 
    Das Heer hatte die östliche Straße verlassen und folgte auf Anraten des Generals einem Weg, der am Rand eines Gebirges und südlich der Wüste verlief. Am dritten Tag des Heumonds waren mehr als siebzigtausend Pilger nach Südosten aufgebrochen. Stunde um Stunde ritten die Bewaffneten an verwüsteten Dörfern vorbei, an verbrannten Feldern und trockenen und vergifteten Brunnen. Die Dörfler flüchteten, wenn sie die gepanzerten Ritter sahen und die Staubwolken, die unter zahllosen Füßen und Hufen entstanden. Tatikios hatte seinen Reitern befohlen, jedes Saumtier mit so vielen Wassergefäßen zu

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