Jerusalem
dort wuschen sie ihre Körper in warmem Wasser, das nach Blütenölen duftete, und trugen feine Kleider aus dünnen Stoffen. Dort, im Schutz der gewaltigen Mauern, durften Frauen schön und weich sein, Wein trinken und sich dem Liebsten hingeben.
Wieder seufzte Chersala und zog sich hoch, ging zum Zelteingang und sehnte sich einige Atemzüge lang mitten in die Stadt hinein. Hinter verschlossenen Türen, im Warmen, an Rutgars Seite und in seinen Armen, auf den Lippen den Geschmack des Weins und von Rutgars Küssen, seine Hände auf ihrer Haut. Sie wollte ihren Körper ansehen und fühlen können, den Blick Rutgars auf ihren Brüsten und Hüften spüren und wollte hören, dass er ihr atemlos sagte, dass er ihre Schönheit bewunderte.
Plötzlich fühlte sie sich schuldig und ausgestoßen. Sie hatte Rutgar dazu gebracht, dachte sie verzweifelt, dem Heer zu folgen, bis hierher und vielleicht weiter nach Jerusalem. Ihre Schönheit, versteckt unter männlicher Lederkleidung, und ihr unbeirrbarer Wille, mit ihm zu gehen, hatten ihn hierhergeführt. Sie hatte sich an ihm versündigt.
Zwischen dem Lagerwall und der Stadtmauer, die hoch über dem Sumpf aufragte, galoppierten Kundschafter zu den Zelten Bischof Adhemars und den Palisaden unweit des muslimischen Friedhofs, die Raimund von Toulouse' Heer schützen sollten. Die Ritter! Im Zeichen des Kreuzes würden sie weiterkämpfen bis zum letzten Atemhauch. Alle waren mit Blindheit geschlagen und vom Wahnsinn besessen. Wir sollten fortreiten, dachte sie, am Ufer des Orontes entlang, zum Hafen Sankt Simeon und auf ein Schiff, das uns nach Les-Baux bringt. Zu spät? Würde der General uns gehen lassen? Oder werden wir sterben, wenn die Muslime einen Ausfall wagen und die Ritter besiegen?
Mit dem Saum des Reiterhemdes wischte sie die Tränen von den Wangen. Ihr Blick klärte sich. Jenseits der Stadt, über den Bergen, wuchsen schwarze Wolken in die Höhe und Breite. Im Westen der Wolkenbank begannen breite Regenbänder niederzustürzen.
Kapitel XXV
A.D. 1097, 17. T AG DES W INDMONDS (N OVEMBER )
D IE L AGER IN DER E BENE UND VOR DEN B ERGEN UM A NTIOCHIA
»Denn es gibt keine Stadt, die wir nicht vor dem Tage der Auferstehung heimsuchen werden. So ist es niedergeschrieben im Buch der Bestimmung.«
(Al-Qur'ān, 17. Sure [»Die Nachtreise«], Vers 59)
Von Sonnenuntergang her trieb ein Herbststurm schwere, tiefgraue Wolken ins Innere des Landes. Nässe ließ die Mauern Antiochias in düsterem Glanz erscheinen. Bohemund von Tarent, Bischof Adhemar und General Tatikios blickten durch die Lücke der Palisaden auf eine Gruppe von mehr als zwei Dutzend Ritter hinunter, denen ihre Gefolgsleute halfen, Rüstungen und Waffen anzulegen. Beide Anführer trugen keine Rüstungen, nur Schwertgurte. Knechte hielten die gestriegelten und gezäumten Pferde an den Zügeln; alle Reittiere, nasse Decken auf den Rücken, waren wohlgenährt, kräftig und tänzelten auf der Stelle. Rutgar, Berenger und drei Kundschafter standen einige Schritte hinter dem Befehlshaber auf dem Wall, der die Palisaden stützte.
»Die Ruhe ist vorbei, ihr Herren«, sagte Tatikios ruhig. »Alle Straßen und Pfade in einiger Entfernung von unseren Lagern und den Mauern sind gefährlich. Drei Überfälle in den Bergen, vier Verwundete, zwei tote Ritter. Ihr wisst es selbst.«
Bischof Adhemar starrte zu den Wehrtürmen hinüber.
»Wir werden jeden Angriff der Sarazenen blutig zurückschlagen. Mit Gottes Hilfe.« Bohemunds gepanzerte Hand fuhr zum Griff seines Schwertes. Ein kalter Windstoß, der sein rückenlanges helles Haar durcheinanderwirbelte, riss ihm die Worte von den Lippen. »Diese Burg der Heiden, Harenc. Schickt Eure Späher hin, auf dass sie uns berichten, wie wir die Befestigung berennen und erstürmen können.«
Harenc, eine schwer befestigte Burg an der Straße nach Aleppo, war voller Proviant und besetzt mit kampferfahrenen Seldschuken und daher ein Dorn im Auge der Belagerer.
Tatikios drehte sich zu Berengers Männern herum, wartete einige Atemzüge lang, bis der Wind nachgelassen hatte, und antwortete: »Mein Anführer und der junge Ritter von Les-Baux werden alles ausspähen und uns sagen, was zu tun ist. Sie sind die Besten und Mutigsten.«
»Gottes Segen mit Euch«, sagte der Bischof und schlug das Kreuz. Er musterte Rutgar, als sähe er ihn zum ersten Mal seit vielen Monaten. »Reitet hin und kommt unverwundet und mit guter Botschaft zurück. Und - junger Ritter, warum seid Ihr nicht in
Weitere Kostenlose Bücher