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Jerusalem

Titel: Jerusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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der schwarzhaarige Bruder Gottfrieds von Bouillon, hatte sich jenseits von Germanikeia in der Mitte des Weinmonds, vom Ehrgeiz getrieben, mit wenigen Söldnern vom Großen Heer entfernt und war mit seinem Freund Bagrat, neun Dutzend Berittenen und dem Geistlichen Fulcher von Chartres nach Osten geritten und ist bis heute nicht zurückgekehrt. Von Kogh Vasil, dem Bruder des Bagrat, hörte Balduin, dass viele armenische Fürsten die Hilfe der Franken herbeiwünschten. Thoros von Edessa hatte den unbekannten Balduin sogar aufgefordert, zu ihm zu kommen, um ihm zu helfen, sich von der Herrschaft des Basileus ebenso wie von derjenigen der Seldschuken zu befreien. Die überaus reiche und prächtige Stadt liegt an einer alten Handelsstraße. Also fühlte sich Balduin hochgemut als Befreier und erlebte auf seinem Ritt, wie die armenische Bevölkerung ihn bejubelte; die Seldschuken flohen oder wurden niedergehauen.
    Zur gleichen Zeit hatten Johannes Dukas, der Schwiegervater des Basileus, der den Ehrentitel Kaisar trägt, und Admiral Kaspax die Küsten und Inseln und das Land Lydien für den Basileus zurückerobert. Die kleine Genueser Flotte hatte den Hafen Sankt Simeon verlassen und den weiter im Süden gelegenen Hafen Laodikeia erobert. Kundschafter berichteten, dass bei der Stadt Hama das Heer aus Damaskus mit einem zweiten Heer des Emirs Kerboga von Mosul zusammengetroffen war und unaufhaltsam Antiochia entgegenstrebte. Vor den Mauern der Stadt aber begannen die bewaffneten Pilger zu darben und zu hungern. Viele wurden krank. In allen Lagern starben Pilger in jedem Alter. Jedermann wusste dies, aber jeder wollte einen anderen Grund dafür kennen: Aber alle Pilger, selbst die Tafuren, hatten im Überfluss gelebt, ohne daran zu denken, dass die Vorräte womöglich über den Winter würden ausreichen müssen. Selbst Futter für Maulesel und Pferde war mittlerweile knapp geworden.
    In den Lagern gab es keine Ordnung mehr, weder unter dem einfachen Volk noch unter den christlichen Rittern. Niemand hielt sich an Regeln, Gebote oder Befehle. Schamlos, vom letzten Wein berauscht, paarten sich Männer und Weiber. Um nicht Hungers zu sterben, schlossen sich Ritter und Gefolgsleute zu Heerhaufen zusammen, die dreihundert oder vierhundert Männer zählten, und streiften beutehungrig im Land umher, um Nahrung für sich und die Pferde zu finden.
    Wir haben auch viele gesehen, die sich Christen nennen und aus der Stadt frei im Lager umhergehen, aber in Wirklichkeit dem Emir hinterbringen, wie es um uns steht. Herr Bohemund, der in seinem Lager viele Gefangene hat - sie bauen, beaufsichtigt von den Tafuren, an einem Festungsturm am Sankt-Pauls-Tor oberhalb von Bohemunds Lager -, schickte seine Ritter aus und schlug alle jene Männer, die er »Spione« nannte, in Fesseln. Daraufhin ließ er sie am nächsten Tag enthaupten, sodass es der Emir vom Mauerturm herunter sehen konnte. Dann ließ er am Tor Feuer entzünden und die Enthaupteten zerteilen und aufspießen. Als die Menge herbeigelaufen kam, um zu sehen, was die Feuer bedeuteten, rief er, dass die sarazenischen Spione als Abendmahlzeit für die Ritter zubereitet würden. In der folgenden Nacht verschwanden alle, die nichts mit uns zu tun hatten, aus den Lagern und kamen niemals wieder zurück. Die Kunde von Bohemunds Grausamkeit aber verbreitete sich in Antiochia wie ein Lauffeuer, und bald erfuhren und glaubten es auch viele andere Seldschuken.
 
    Als Rutgar den Kopf hob und den Federkiel beschnitt, sah er den Turm der kleinen Festung aus Stein, Lehmziegeln und Balken. Kastell Malregard, an einem schmalen Zufluss des Orontes auf einem Hügel errichtet, in unmittelbarer Nähe des Sankt-Pauls-Tors, versperrte nun den Weg durch die Schlucht des Onopnietes und das »Eiserne Tor«. Schon den ersten Ausfall der seldschukischen Besatzung hatten die Soldaten und Armbrustschützen Tancreds und Bohemunds abgefangen. So konnte Bohemund ein größeres Heer zusammenstellen.
 
    In unserem Lager, zwischen den Zelten des Generals Tatikios, gelten unverändert Ordnung und Regeln; Tatikios straft gerecht und ohne Erbarmen. Nicht so wie in den Lagern der Fürsten und des Bischofs. Wir haben auch noch ein wenig Proviant. Gottfried liegt krank in seinem Zelt. Bischof Adhemar war wütend und rief bei jeder seiner Predigten das Volk der Gläubigen auf, das hoffärtige Leben zu unterlassen und der Hurerei zu entsagen. Wir haben unsere Vorräte trocken aufbewahrt und bewachen sie. Dennoch werden sie

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