Jerusalem
man in der Mitte des Mondes Scha'ban des Jahres 492 sei.
Die Besatzung Jerusalems wartet auf ein muslimisches Mameluken-Heer, das aus dem Land Ägypten heranziehen soll, und wir warten auf die christlichen Schiffe aus Genua, die uns Proviant und Belagerungsmaschinen bringen sollen, die der Basileus schickt. Bald werden die Pilger unter Durst und Hunger leiden, und unter Hitze und Staub. Weit und breit steht kein Baum, kein Wald, der Schatten spendet. Es hat keine silberne Straße und auch keine goldene Brücke hierhergeführt, und nur selten gab es Milch und Honig.
Wo die Franken lagerten, ließ Iftikhar, der muslimische Stadtkommandant, unzählige Säcke voll Heu, Stroh und Baumwolle an die Mauern hängen, damit von ihnen die Geschosse weich abprallen sollten. Aber noch hat das Christenheer keine Steinschleudern und Ballisten; der Basileus hat versprochen, sie samt der Mannschaften zu schicken. Die Wege zu den fernen Quellen aber sind voller Hinterhalte. Christen aus Bethlehem und Thecua haben die Pilger zu sauberen Quellen und Brunnen geführt, aber muslimische Bogenschützen aus Askalon töteten viele Pilger und Soldaten, die dort Wasser holten. Die Anführer der christlichen Heere begannen am 12. Tag des Brachmonds eine Wallfahrt zum Ölberg und trafen dort einen Einsiedel, der ihnen predigte, dass der Herr befohlen hatte, am nächsten Morgen mit dem Sturmangriff zu beginnen.
Die Fürsten griffen wirklich mit aller Macht an. Sie überrannten die »Barbicana«, die niedrige Mauer, und legten die einzige Sturmleiter an. Ritter Raimbold von Chartres erkletterte als Erster die Mauer, aber die Muslime schlugen ihm die Hand ab. Ein wüster Kampf entbrannte. Mutige Ritter stürmten die Mauer und töteten mit Schwertern und Lanzen viele Verteidiger, aber auch die Muslime mordeten viele Franken, sodass der Kampf auf der Mauer nach zehn Stunden ohne Erfolg abgebrochen werden musste. Ritter Reginald, der Seneschall Hugos von Liziniac, wurde getötet, aber die Ritter konnten die Sturmleiter retten.
Berengers Schar hielt sich auch die folgenden zehn Tage von den Kämpfen fern und half den Pilgern, die im Umland nach Wasser suchten. Aber auch die Kundschafter, selbst ihre Reittiere, litten unter Durst und der gnadenlosen Hitze. Zwei Kundschafter wurden von Pfeilen getroffen; den einen, der an seinen Wunden starb, begrub Berengers Schar abseits des Lagers. Das Wasser des Brunnens Siloah am Ölberg verhinderte, dass die Christen verdursteten, aber sogar in zusammengenähten Rinderhäuten schleppten sie Wasser über sechs Meilen herbei. Dieses Wasser stank und war faulig, und das Gerstenbrot schmeckte widerwärtig. Dann aber kamen Boten aus Jaffa ins Lager. Sie hatten den Hafen verlassen vorgefunden; die Besatzung war geflohen. Vier englische und zwei genuesische Schiffe voller Lebensmittel und Teilen von Belagerungsmaschinen und auch Werkzeug und Ausrüstung luden in Jaffa ihre Ladungen aus.
Von gefangenen Muslimen erfuhren die Christen, dass es viele Namen für Jerusalem gab: »Al-Quds«, die Heilige, »Bayt al-Maqdis« oder »Beit al-Muqaddas«, die Stadt der Heiligkeit, oder »Al-Balat«, der Palast. General Iftikhar ad-Dawla, der »Stolz des Staates«, war das Oberhaupt einer ägyptischen Besatzung; er befehligte arabische Reiter ebenso wie Bogenschützen aus einem Land, das man »Sudan« hieß. Er wartete auf ein Heer des Wesirs Al-Afdal in Kairo, das von der ägyptischen Flotte herbeigeschafft werden sollte.
Die Fürsten entschlossen sich schnell: Eine Schar Ritter, vielleicht hundert, aus dem Heer Raimunds von Toulouse, machte sich nach Jaffa auf den Weg. Bei ihnen waren Raimund Pilet, Achard von Montmerle und Wilhelm von Sabran. Sie wurden von einem großen Trupp Araber, Türken und Sarazenen angegriffen, die Achard und viele Fußkämpfer töteten. Raimund wurde zur Hilfe gerufen. Er kam und kämpfte, und so schlugen die Christen endlich die Muslime in die Flucht. Man erbeutete um die dreihundert Pferde und machte Gefangene.
Die Schiffsbesatzungen in Jaffa gaben die Schiffe bis auf eines auf, weil eine ägyptische Flotte den Hafen sperrte; ein britannisches Schiff entkam. Raimund Pilet führte die Matrosen, allen Proviant und sämtliche Ausrüstung unbehelligt aus dem Hafen nach Jerusalem. Nun hatte man Essen und Werkzeug, aber es fehlte das Holz zum Bau von Maschinen und Belagerungstürmen. Und es fehlte frisches Wasser.
Schweiß, Öl und der Staub einiger heißer Sturmwirbel hatten an jeder Stelle des
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