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Jerusalem

Titel: Jerusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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Meineidige, Ehebrecher und Räuber, Schuldige und Unschuldige mit dem Eremiten und ihm wanderten, als könnten sie ihre Missetaten weit hinter sich zurücklassen. Auch sie wollten nichts anderes als ihr Seelenheil, den inneren Frieden und die Möglichkeit zu überleben; dafür nahmen sie alle Entbehrungen auf sich. Für die Stunde, in der ihr Traum Wirklichkeit werde, kämpften sie und krabbelten wie Ameisen über die versengte, scharfkantige Kruste des Türkenlandes.
    Viele Männer hatten in den Kämpfen Pferde erbeutet, mitunter samt Sattel, Zaumzeug und gefüllten Satteltaschen. Auf der langen Reise mit ihren Kämpfen waren ihnen einige Rüstungen, Kettenhemden und Waffen aller Art in die Hände gefallen; dies galt auch für Rutgar.
    Er trug sein Schwert auf dem Rücken, hatte den Helm am Sattelknauf festgebunden und hielt sein Kettenhemd ebenso wie die geschenkten silbernen Sporen und das kostbare Silberzaumzeug versteckt. Er wollte nicht, dass ihn die Pilger in Waffen sahen; inzwischen zählten die Bewaffneten im Pilgerheer viele Tausend Köpfe. Sie scharten sich um Fulk »Foucher« von Orléans, Hugo von Tübingen oder Walter von Teck, oder sie gehorchten einem der anderen Grafen. Etwa zwei Dutzend Ritter befanden sich nun in Peters Gefolge und bildeten innerhalb des Pilgerzugs eine eigene Gruppe. Peter winkte Rutgar, schloss gottergeben die Augen, lenkte den Esel zur Seite, stieg ab und tränkte das Tier, dessen Mähne nur noch zwei Fingerbreit maß - weil die Gläubigen dem Grautier immer wieder, trotz Peters Verboten, die »heiligen Haare« ausrissen, hatten Rutgar und Peters Getreue die Mähne gestutzt und den Schweif ausgekämmt.
    Einige Karren, von hochohrigen Maultieren mit räudigem Fell gezogen, rumpelten an Rutgar und Peter vorbei. Auf einem gut genährten Rappen saß ein schlanker Mann, in dunkelbraunes Leder gekleidet, kerzengerade im Sattel und vermied den Staub, den die Pilger aufwirbelten. Weder Rutgar noch einer der Ritter kannte den Fremden. Rutgar blickte ihm nach, bis er hinter dem Buschwerk verschwand. Auch der Fremde trug ein Schwert; er hatte es ebenso wie Rutgar auf den Rücken geschnallt, mit dem Griff schräg über der rechten Schulter. Der Reiter wirkte auf Rutgar, als sei er Sieger in vielen Kämpfen geblieben, und seinen hellen Augen entging nichts davon, was rings um ihn geschah. Eine auffallende Gestalt, sagte sich Rutgar. Wahrscheinlich ein Waräger, Vertrauter des Kaisers, der ihm berichten sollte, ob sich die Pilger und Ritter friedlich verhielten.
    »Wer ist das?«, sagte Peter zu Rutgar.
    Dieser zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht. Er reitet erst seit der Landung in unserem Zug.«
    Ein Karren, von zwei mageren Ochsen gezogen, knarrte schwankend vorbei.
    »Segne uns, Kukupetros!«, schrie eine der alten Huren. Sie war, wie die anderen Hübschlerinnen, schweißübergossen und bot die verwelkte Haut der Sonne dar. Einige Kranke lagen zwischen ihnen im Stroh des Karrens. Peter senkte die Augen und entsprach schweigend ihrer Bitte.
    Hochbeladene Esel trippelten in langer Linie über den Pfad. Ihre knochigen Körper verschwanden fast unter den Heubüscheln und Strohbündeln ihrer Traglasten. Staub wallte auf und verhüllte uralte Gebäudereste, durch die der Weg führte: moosüberwucherte Reste von Quadermauern, gestürzte und geborstene Säulen mit unlesbaren Schriftzeichen und verwitterte Ornamente aus gemeißeltem Stein, um die sich Beerenranken schlangen. Sie schienen aus einer Zeit zu stammen, die lange vor der Besetzung durch die Türken lag.
    Rutgar hob den Kopf und sah sich um.
    Er erkannte, vielleicht eine Meile weit entfernt, auf einem baumlosen Hügel die Ritter und deren Knechte, die vorausgeritten waren. Sie hatten angehalten und schienen das Ziel sehen zu können. Peter hustete im Staub, verteilte abermals Wasser über sein Gesicht und stieg ächzend in den heißen Sattel.
    »Gott will es«, sagte er. »Wenn er die Hand über uns hält, wird es uns an nichts mangeln.«
    Wieder knirschten die Felgen einiger Karren auf dem Sand und über splitterndes Geröll. Die Hufe der Maultiere klirrten auf den Steinen. Weit und breit gab es keinen Schatten. Die Tiere und die Menschen schleppten sich weiter, und da Peters Esel neben Rutgars Rappen eines der kräftigsten Reittiere zu sein schien, dauerte es nur eine Stunde, bis Peter wieder an der Spitze des Zugs ritt, außerhalb der ätzenden Staubwolken. Der Pfad senkte sich in ein Tal, wand sich auf dem

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