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Jerusalem

Titel: Jerusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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ob Tausende mit verbissener Wut gegeneinander kämpften, und schon kurze Zeit danach war das kostbare Wasser voll aufgewühltem Schmutz.
    Aus dieser unansehnlichen Brühe tranken die Menschen, versuchten ihre Gesichter zu waschen, rempelten triefend die Nachbarn an, und die Tiere drängten sich zwischen ihnen hindurch und tauchten die Köpfe in die schlammigen Pfützen.
    »Gott schütze sie«, sagte Peter leise. Der Rand des Bachbettes war für ihn und Rutgar wie ein Schutzwall vor dem Gewühl der Halbverdursteten. »Sie fügen sich selbst Übles zu und vergessen alle Nächstenliebe.«
    Er hob den Sattel vom schweißnassen Rücken des Esels, löste den Zaum und sah zu, wie das Tier sich einen Weg durch die klappernden Kiesel suchte. Unter einem Baum, der dicht neben dem Abhang wurzelte, schlug der Eremit sein Lager auf. Dann erst stolperte er zum Wasser, trank sich satt und füllte den Ziegenbalg, nachdem er ihn gründlich ausgewaschen hatte.
    Je mehr Menschen getrunken hatten und in den Schatten wankten, desto ruhiger und enger wurde es. Schließlich füllte die Menschenmenge das Tal, und die Ersten fingen an, Äste von den Bäumen zu schlagen.
    Rutgar führte den Rappen zum Wasser, nahm die Trense aus dem Maul und schöpfte, während das Tier trank, Wasser über dessen Hals und Kopf. Als der Rappe an den Blättern eines Busches zu rupfen begann, sattelte er das Tier ab. Erst dann mischte Rutgar für sich und den Prediger heißen, sauer gewordenen Wein mit kaltem Wasser und schnitt ein drei Finger breites Stück vom getrockneten Fisch ab. Käfer und Bienen summten an der überwucherten Felswand, die Baumkronen färbten sich im Abendschatten goldrot.
    Peter hockte auf seinem Sattel, neben Rutgar, der den umgedrehten Sattel und die gewaschene Satteldecke zum Trocknen ausgebreitet hatte, und sah eine Weile lang, am Fisch kauend, dem Esel beim Fressen zu.
    »Wieder einmal«, sagte er leise, »hab ich auf Gott vertraut, und Gott hat mich und die Meinen zum Wasser und in den Schatten geführt.«
    Er klagte Rutgar seine Beschwerden: Der fiebrige Schmerz, der seit Stunden in seinem Schädel pochte, wich langsam. Als Rutgar einen unversehrten Krug Wein öffnete, mischte Peter nur wenig Wasser in seinen vollen Becher und genoss den Wein, als sei es das Blut des Herrn.
    Das Tal versank in frühnächtlicher Dunkelheit. Einige Fackeln und Feuer brannten. Das Reden und Hantieren der vielen Tausend wurde zu einem dumpfen Brummen und Brausen, und noch mehr vereinzelte Lichter erschienen. Das Wissen, dass das Heer noch innerhalb der Kriegsmacht Konstantinopels lagerte, ließ auch Peter den Eremiten bald in einen tiefen Schlaf fallen. Rutgar saß vor der Glut des Feuerchens auf seinem gefalteten Mantel, dachte an den ledergekleideten Unbekannten mit den großen Satteltaschen und spürte, wie die Tageshitze aus dem Tal wich.
    Er streckte sich aus, verschränkte die Hände im Nacken und kniff seine schmerzenden Muskeln. Der Schwertgriff und die Scheide neben Rutgars Lager bildeten auf den Kieseln ein Kreuz. Über dem Tal strahlten die Sterne über dem fremden Land unnatürlich hell. Rutgar starrte sie eine Weile lang an, in matten Gedanken versunken, und merkte nicht, wie er einschlief.
    Irgendwann, um Mitternacht, wachte er auf und hörte in der Finsternis nichts anderes als das Plätschern des Wassers und die Geräusche der gewaltigen Menschenmenge. Er erinnerte sich an seinen Traum; einen Wirbel aus Gestalten, Bewegungen und Worten:
 
    »Im Namen Allahs, des Allerbarmenden«, berichtete der erschöpfte Spion des Sultans Kilidsch Arslan ibn-Süleiman vor dessen Thron, »der Haufen jenes betrunkenen Derwischs, den die Ungläubigen Peter den Eremiten nennen und der auf einem Esel reitet, ist beim Kaiser der Rum eingetroffen, so wie wir es erwartet haben, edler Sultan. Sein großes Gefolge armseliger Kreaturen hat sich mit dem Gefolge desjenigen Mannes zusammengetan, der sich selbst Habenichts nennt. Diesem Giaur, den Allah mit Aussatz schlagen möge, folgen mehr Wegelagerer als ausgebildete Söldner. Es sind ausnahmslos große Räuber, die meisterlich plündern, schänden und mordbrennen können.«
    Der Sultan, der auf einem edelsteinfunkelnden Thron inmitten marmorner Löwen, Adler und goldener Statuen kauerte, wirbelte ein blitzendes Krummschwert über seinem Kopf und spie Flammen und Rauch. Der Spion warf sich vor die Stufen des Throns und rief mit trillerndem Klagegeheul:
    »Weil sie auch in des Kaisers Stadt stehlen und

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