Jerusalem
Land des Kaisers. Wir müssen dem Kaiser geben, was des Kaisers ist, und seinem Gesetz gehorchen. Er hat uns befohlen, auf das ritterliche Hauptheer zu warten, bevor wir es wagen, die Ungläubigen anzugreifen. Sie sind zahlreich, sagt er, wie die Heuschrecken, wie Ameisen und wie Sandkörner am Meer. Erinnert euch, wie schnell wir hierhergelangten, schneller als die Heere, die sich in unserer Heimat sammelten. Doch diese haben sich nun gesammelt und reiten in Eilmärschen nach Konstantinopel. Es ist für uns ein Leichtes, sie zu erwarten.«
»Wir werden vor Langeweile das Heilige Land vergessen«, rief ein deutscher Ritter über den Platz. »Das reiche Land, von dem du redest, wartet auf uns. Das Land von Milch und Honig. Wo ist der Honig? Wir nehmen uns, was wir brauchen!«
Ein anderer, der unzweifelhaft Franzose war, antwortete ebenso laut: »Der Kaiser hat's verboten. Gott hat's untersagt. Peter soll uns nach Civetot führen!«
»Ich werde euch nach Civetot führen!«, rief Peter. »Am dritten Tag von heute an werden wir aufbrechen.«
Peter und Rutgar erkannten die Stimme des Ritters Reinhold, oft Rainaldo genannt, eines Italieners. Noch hatte Gottfried Burel, Peters Stellvertreter und Berater in den Belangen der Kämpfe und der Verteidigung, kein Wort gesagt. Rainaldo hob die Faust. Seine Stimme drang durch das Gemurmel. »Wir leiden Hunger und Durst! Wir brauchen Verpflegung! Wir werden die Türkenhunde angreifen und vernichten!«
»Nicht bevor die große Armee bei uns ist, mit vielen Tausend gepanzerten Rittern!«, antwortete Peter ebenso laut. »Wir, die gläubigen Pilger, lassen nicht zu, dass sich einige Wagemutige abspalten und mit Plünderung vergnügen, nur weil sie glauben, die besseren Waffen zu haben. Habt ihr die vielen Toten vergessen, die wir in Nisch zurücklassen mussten? Abermals sage ich: Es ist der Befehl des Kaisers, in dessen Land wir sind.«
»Noch sind wir es!«, rief warnend der französische Ritter. »Aber einen Bogenschuss neben der Straße beginnt das Land der Türken. Es sind nicht die silbernen Straßen im Heiligen Land! Hier fließen weder Milch noch Honig! Ihr Ritter, ihr seid alle voll Sehnsucht, durch türkische Pfeile zu sterben!«
»Ihr Pilger geht nach Westen, und wir, die Berittenen, sehen uns im Türkenland um!«, schrie einer aus dem Haufen um Reinhold von Breis. »In Wirklichkeit haben die Türken ihre Reichtümer nur gut versteckt. Du selbst, Peter, hast gepredigt, dass wir die Ungläubigen aufs Haupt schlagen sollen.«
»Aber im Geiste des Glaubens und nicht des Hochmuts! Nur dann wird Gott unser Schwert und Schild sein!«, rief Peter.
Ein kaltes Gefühl des Verlusts und des Versagens erfasste Rutgar; ohne dass er es gemerkt hatte, war die Entscheidung längst getroffen. Die italienischen und die deutschen Pilger und Ritter hatten sich gegen Peter entschieden. Er war als Anführer abgesetzt worden.
Die Franken taten nichts, um ihm zu helfen - der machtvolle, ausschließliche Auftrag Gottes versickerte wie der Schweiß der Wandernden in der Hitze des Landes. Peter senkte den Kopf. Rutgar verstand, dass er versuchte, den Schmerz in seinem Inneren zu besiegen.
»Der Teufel hat euch versucht!« Peter ging mit schleppenden Schritten zwischen ratlosen Menschen von der Terrasse hinunter. Die Umstehenden mieden seinen Blick. »Schaut auf den Herrn: Er hat der Versuchung des Satans widerstanden. Auch ihr werdet einsehen müssen, dass ihr besser auf mich gehört hättet.«
Peter der Eremit blieb abseits der Feuer im Dunkeln stehen. Sein Bewusstsein, dachte Rutgar grimmig, versagt zu haben, wurde schmerzlicher. Das Schwert war in diesen Tagen und Nächten stärker geworden als der Glaube und das Wort.
»Jesus Christus«, murmelte Peter und suchte sich den Weg zu Rutgar, »verlass mich nicht. Sage mir, was ich tun kann, um die Verblendeten wieder auf den rechten Weg zu führen.«
Rutgar legte den Arm um Peters Schulter und führte ihn zur Seite. In der Menschenmenge glaubte er den Fremden erkannt zu haben, den in Leder gekleideten Reiter mit dem langen Schwert auf dem Rücken. »Warte ein paar Stunden, Verehrungswürdiger«, sagte er leise. »Gottfried Burel hat die Franken in seiner Hand. Auf dem Weg nach Civetot wird sich vieles ändern.«
Peter zuckte mit den Schultern und folgte Rutgar. Dunkelheit, spärlich unterbrochen durch schwelende Fackeln und flackernde Ölflämmchen, legte sich über Nikomedia. Es war windstill: in der dicken Wolke aus Rauch, Ruß und
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