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Jerusalem

Titel: Jerusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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Staub, die sich übermannshoch ausbreitete, hörte man die aufgeregten Laute der vielen Tausende, die miteinander redeten. Die einen fürchteten die blutrünstigen Bewohner des fremden Landes, die anderen sprachen von Angriffen, Kämpfen, großer Beute und von Gottes Gebot, die Feinde zu bekämpfen, viele beteten, und von irgendwoher kam zögerlicher Gesang.
    Als Peter nach einigen Bechern Wein in Schlaf gefallen war, verließ Rutgar die Hütte. Er stieß einen kurzen scharfen Pfiff aus. Der Rappe trottete auf ihn zu, Rutgar zog sich auf den Rücken des ungesattelten Tieres und griff in die saubere, weiche Mähne. Ross und Reiter verschwanden in der Dunkelheit, das Tier suchte sich selbst den Weg; Rutgar ritt hinunter zu den Schiffen. Am Ende des Stegs gab es mehr Helligkeit. Im Heck eines Lastschiffs brannten drei Laternen, zwei Fackeln steckten im Sand. Als Rutgar vom Rücken des Rappen glitt, sagte eine Stimme von rechts:
    »Setz dich zu mir, Provençale Rutgar. Lass uns gemeinsam begrübeln, wo wir Honig, Milch und Minne finden können.«
    Rutgar wirbelte herum, der Rappe erschrak und wieherte. Rutgar hob den Kopf über den Hals des Pferdes und sah den weißhaarigen Fremden, der am Ende des Stegs auf einem Holzkasten saß und den Arm grüßend halb erhoben hatte.
    »Woher weißt du, dass ich aus der Provençe komme?«
    »Ich weiß vieles über dich. Von Hauptmann Roger.« Der Fremde, dessen Lederhemd über der Brust weit offen stand, winkte mit den Fingern und grinste. »Wir sollten miteinander reden. Bring dein Pferd zum Trog und trink einen Becher Wein.«
    »Ich komme. Gleich.« Rutgar nahm sein Pferd am Halfter und ließ den Rappen stehen, als er zu saufen begann. Langsam ging Rutgar zu dem Ledergekleideten, der einen metallenen Becher aus dem Tonkrug füllte. Rutgar setzte sich und sagte:
    »Ich kenne nicht jedes Gesicht, aber die meisten Pferde. Es gibt nicht viele Rappen bei uns. Einen mehr seit der Überfahrt - deiner. Und wer bist du?«
    »Hier, trink.« Der Fremde mit kurzem, fast weißem Haar und einem kurzen Gesichtsbart von gleicher Farbe hielt Rutgar den Becher hin. »Ich gehöre zu den Warägern der Garde. Berenger heiße ich, aus der Normandie. Der Basileus und Hauptmann Roger haben mich geschickt, um bei euch, nun ja, nach dem Rechten zu sehen und ein wenig zu beten.«
    »Um zu sehen, was die Pilger tun?« Rutgar nahm einen Schluck. Der Wein war kühl und leicht. »Oder die Raubritter? Danke. Du kennst das Land der Seldschuken?«
    Berenger war einen halben Kopf größer als Rutgar, schlanker und sehniger, aber mit breiteren Schultern. In der Dunkelheit erkannte Rutgar die Farbe von Berengers Augen nicht; er sah die Falten im Gesicht des Mannes. Wie alt mochte er sein, dreißig oder mehr? Das fahlblonde Haar ließ ihn älter erscheinen.
    »Ich habe früher hier gekämpft und bin bis Antiochia geritten. Aber ich werde euch Pilger nicht führen.«
    »Du wirst auch nicht mit den Rittern plündern und brandschatzen, vermute ich.«
    »Keinen Schritt weit. Ich glaube, ich werde zusehen, wie sie von den Seldschuken erschlagen werden.« Berenger lachte rau.
    »Trinken wir deinen eigenen Wein?«
    »Jedes Schiff bringt einen Krug für mich. Ich weiß, dass du alles aufschreibst. Du schreibst es auf, ich lese dem Basileus die Nachricht aus dem Gedächtnis vor.«
    »So ist das also«, sagte Rutgar leise.
    »Deswegen will ich mit dir reden.« Berengers Blicke waren offen, er schien es ehrlich zu meinen. »Bisher bist du stets an der Seite des Predigers geritten. Den Rittern, die wenig mit Gesang und Gebet im Sinn haben, gehst du aus dem Weg. Bald wirst du deine Waffen brauchen, denn Nikomedia ist das Ende der Herrschaft des Basileus.« Er schenkte nach. »Dahinter beginnt das Land der ungläubigen Barbaren, die uns ungläubige Barbaren nennen.«
    »Ich weiß, dass Nikomedia seit fünfzehn Jahren leer steht. Peter und Ritter Gottfried Burel werden hier auf das Heer des Papstes warten«, antwortete Rutgar. »Dafür lege ich aber meine Hand nicht ins Feuer.«
    »Das solltest du auch besser bleiben lassen, Rutgar«, sagte Berenger grimmig und hob sein Schwert auf, das neben seinem linken Knie umgefallen war. »Deine schlanken Finger würden verkohlen. Einmal Plünderer, immer wieder Plünderer. In wenigen Tagen werden die Späher des Sultans erfahren haben, was in seinem Land geschieht.«
    Hauptmann Roger und der Prediger hatten Rutgar in Konstantinopel berichtet, dass die Rum-Seldschuken, die südlich der Bucht

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