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Jerusalem

Titel: Jerusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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Entladen der Schiffe zu helfen und Neuigkeiten aus Konstantinopel zu erfahren; man würde Peter, dem Anführer, jede Botschaft unverzüglich überbringen.
    Die anderen Ritter kamen von ihrem Raubzug zurück, trabten auf müden Pferden entlang der überwucherten Mauern und Fundamente durch die überfüllten Gassen und verteilten die verderbliche Hälfte ihrer Beute an die Pilger. Der Eremit breitete seine durchgeschwitzte Kukulle über einem Haufen zertrümmerter Bretter zum Trocknen aus, furzte laut und setzte sich ächzend auf einen Schemel. Schweiß tropfte aus seinem Bart.
    »Nun haben wir wenigstens ein Dach über dem Kopf«, murmelte er und blickte durch die Löcher im Strohdach in die Wolken. »Der Weg nach Jerusalem ist wahrlich lang und beschwerlich.«
    Rutgar brachte den Sattel und die Satteltaschen, ein anderer Pilger trug Becher, Wasser und den Weinschlauch. Peter leerte drei Becher und schloss die Augen. Er raufte seinen feuchten Bart und wartete, bis man ihm den nächsten Krug brachte. Rutgar rief sich die Namen der Städte ins Gedächtnis, die sich entlang des Pfades des Großen Wanderns reihten, bis das Heer Jerusalem erreicht haben würde: Helenopolis, Civetot, Nikaia, Dorylaion, Ikonion, Kaisareia, Germanikeia, Antiochia, Tripolis, Beirut, Tyros, Akkon, Jaffa ... Namen, fremd wie jene Rose-Blumen, die er in Konstantinopel zum ersten Mal gesehen und deren Duft er begierig eingesogen hatte. Er kannte die Namen auswendig; sie waren Teil der Erzählungen vom Heiligen Land, denen er seit dem Lager vor Konstantinopel gelauscht hatte. Sie waren aber ebenso Traumbestandteile der Reden und Predigten seines Schützlings; Namen, die Peter einst von Adhemar von Monteil genannt worden waren, als dieser noch nicht Bischof von Le Puy gewesen war. Als Peter seinen Becher wieder füllte, schien sein Entschluss festzustehen. Er setzte dreimal zum Sprechen an und sagte:
    »Ich werde, während meine Pilger und die Grafen auf die waffenstarrenden Nachkömmlinge aus Konstantinopel warten, die Wankelmütigen aufrichten und die Ritter zurechtweisen - das Volk der Gläubigen wartet auf meine Predigten.«
    Dieses Volk aber, das wie räuberische Ameisen oder Heuschrecken in den verlassenen Ort eingefallen war, hatte zehntausend rastlose Hände, die Holz sammelten und Feuer bereiteten, die Lasten aus den Schiffen schleppten, ungefüge Wassertröge für die Tiere zimmerten, einen uralten steinernen Brotofen von Ranken und Wurzelwerk säuberten und anschürten, Kühe, Schafe und Ziegen molken, Korn für Brot mörserten und mahlten und so ungewollt einen Teil der Verwilderung und Verwüstung beseitigten.
    Ein Pilger führte einen bärtigen Seemann in Peters Unterschlupf.
    »Ich bin Abrahil, verehrungswürdiger Oberpriester, aus ... äh ... aus Konstantinopel. Ihr sollt warten, Herr Kukupetros«, sagte er, sah sich im halbdunklen, verrußten Raum um und schüttelte den Kopf. »Unser Kaiser Alexios hat keine Nachricht vom Heer eurer Fürsten. Keine Boten von ihnen selbst, keine Nachricht aus Ungarn.«
    Peter zerfurchte seinen Bart mit beiden Händen und zuckte mit den Schultern. Sein Gesicht füllte sich mit Trauer und Niedergeschlagenheit. Plötzlich lächelte er, begann dann laut zu lachen und rief triumphierend: »Sie werden kommen! Mir wird es nicht schwerfallen, mit euch allen hier zu warten.«
    Peter lief hinaus und sah sich um, als wolle er seine Pilger zählen. Rutgar bot dem Seefahrer einen Becher Wein an.
    Der Eremit rief in die Hütte: »Den bedauernswerten Pilgern auch nicht. Aber ein Teil meiner vielen Pilger ist aufsässig geworden.«
    »Der Basileus weiß es«, antwortete Abrahil gleichmütig. »Ihr solltet die Seldschuken ebenso fürchten wie er. Zieht ein paar Tage weit nach Westen. Dort steht ein Feldlager, in unserer Sprache heißt es Kibotos; einige von euch haben es Civetot genannt. Der Basileus hat es vor Jahren für seine englischen Söldner gebaut. Dort könnt ihr in größerer Sicherheit auf eure ritterlichen Kämpfer warten.«
    Peter überdachte und begrübelte das Gehörte, rülpste leise und sagte schließlich: »Ein günstiger Platz für so viele, wie wir sind?«
    »Ihr habt fleißige Männer und könnt die Mauern verstärken. Das Land ist fruchtbar, unsere Schiffe haben gute Landeplätze. Meine Kapitäne und ich, wir können die Befehle des Admirals Maurokatakalon und des Basileus nur weitergeben, aber - willst du meinen ehrlichen Rat?«
    Peter nickte und füllte die Becher.
    »Erholt euch hier, zwei,

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