Jessica
»Dort sind sie sicher.«
Jessica war dankbar für das Angebot, aber sie stemmte die Hände in die Hüften und sah zu Gage auf. Jetzt beschämte sie der Gedanke, dass sie sich letzte Nacht von ihm hatte küssen lassen. Gleichzeitig wünschte sie sich absurderweise, er würde sie wieder küssen, was nur bewies, was er für einen schlechten Einfluss auf sie hatte.
»Ich brauche Ihre Hilfe nicht, Mr. Calloway«, sagte sie würdevoll und kämpfte gegen einen heftigen Hustenreiz an. Cornucopia kam mit einem schreienden Baby vorbei und versprach, gleich auch das andere zu holen. »Da stimmt nur etwas mit dem Abzug nicht, das ist alles.«
Trotz Jessicas heimlicher Versuche, Gage den Weg zu verstellen, ging er um sie herum hob das andere Baby auf. Die kleine Verräterin hörte tatsächlich auf zu jammern.
»Na, siehst du«, sagte er.
»Setzen Sie das Baby ab«, verlangte Jessica.
Zum Glück kam jetzt Cornucopia zurück und beanspruchte Eleanor fü r sich. »Ich bringe sie zurück, sobald Sie hier ein bisschen gelüftet haben«, erklärte sie und zog sich hastig zurück.
Gage sah Jessica grimmig an. Die Luft wurde jetzt etwas besser, aber sie kratzte immer noch im Hals und brannte in den Augen. »Ich bin nicht Ihr Feind«, erklärte Gage, »und ich war auch nicht der Feind Ihres Bruders. Nach Victorias Tod hat sich Ihr Bruder verändert - er hielt jedermann für seinen Feind.«
Die Erwähnung Michaels brachte Jessica wieder in Bewegung. Sie marschierte zum Schreibtisch hinüber und ergriff einen Bogen mit dem Artikel, den ihr Bruder noch vor seinem Tod gesetzt hatte. Mit dem Finger deutete sie auf die Schlagzeile, in der Gage Callo way als politischer Ehrgeizling angeprangert wurde. »Wie wollen Sie dann das da e rkl ären«
»Ah«, sagte er, »das Evangelium des heiligen Michael.«
»Wie können Sie es wagen, die Ehrlichkeit meines Bruders anzuzweifeln!«
»Ihr Bruder war verrückt vor Kummer wegen des Todes seiner Frau, als er das geschrieben hat. Er war dabei, die Zeitung zu verlieren ...« Er unterbrach sich, und Jessica sah das Bedauern in seinem Gesicht.
»Durch Ihre Schuld! Sie haben die Bank in Choteau dazu gebracht, ihren Kredit zurückzuverlangen!« Tränen stiegen Jessica in die Augen, die sie auf den Qualm zurückführte und nicht darauf, dass sie sich hoffnungslos in diesen Mann verhebt hatte.
Gage packte sie bei den Schultern. »Hören Sie mir zu, Jessica!«, verlangte er. »Es ist nicht zu leugnen, dass Michael und ich unsere Differenzen hatten. Aber ich hatte ganz sicher nichts damit zu tun, dass die Banken die Kredite gekündigt haben. Wenn Sie es genau wissen wollen: Der Schuldschein befindet sich in meinem Safe.«
Jessica hatte das Gefühl, als würde sich der Boden unter ihre auftun und sie in einen bodenlosen Abgrund stürzen, falls Gage sie jetzt losließe. »Was??«
Er ließ sie los, und sie fiel nicht. Sie stand nur da, erschüttert bis auf den Grund ihrer Seele. Gage fuhr sich mit der Hand durchs Haar und seufzte tief auf, während der kalte Wind, der hereinfegte, sie durchkühlte.
»Ich habe die Zeitung als Sicherheit, Jessie«, sagte Gage schließlich. »Gesetzlich gehört sie mir, moralisch - nun, das ist eine andere Frage.«
Diesmal gaben ihre Knie nach. Jessica tastete nach einem Stuhl und ließ sich gerade noch rechtzeitig darauf sinken. Gage schloss die Tür und trat an den Ofen, um den Abzug zu öffnen.
Ihm gehörte die Gazette. Himmel, ihr gehörte nichts außer ein paar hundert Dollar auf einer Bank in St. Louis. Wenn s ie erst einmal verbraucht waren, hatten sie und die Babys gar nichts mehr.
»Warum haben Sie mir das nicht gesagt? Warum haben Sie mich in dem Glauben gelassen ... ?«
»Sie hatten gerade Ihren Bruder verloren und hätten solch eine Nachricht nicht verwunden.«
»Aber Sie wollten etwas kaufen, was Ihnen schon gehört! Oder sollte das etwa ein A r t der Wohltätigkeit sein, Mr. Calloway?«
Er zog sich auch einen Stuhl heran, was grässlich scharrte, und setzte sich verkehrt herum darauf, die Arme auf der Lehne verschränkt. Seine Augen waren nicht mehr voll Mitleid, sondern blitzten vor Wut. »Sie besitzen denselben dummen Stolz wie Ihr Bruder!«, fauchte er. »Auch er konnte einfach keine Hilfe akzeptieren. Ich war sein Freund und habe an in geglaubt.« Er unterbrach sich und seufzte. »Michael wollte ein Teil von Springwater sein, aber gleichzeitig sonderte er sich ab, genauso, wie Sie es machen.«
Was Gage da sagte, klang wahr, aber es war nicht das,
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