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Jessica

Jessica

Titel: Jessica Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Lael Miller
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und zu Gage. Sie wusste genau, dass ihr dieses Gefühl morgen früh - im kalten Licht eines Wintertages betrachtet - äußerst dumm Vorkommen würde. Aber in dieser Nacht konnte sie vorgeben, Cinderella am Arm ihres Prinzen zu sein.
    Später brachte er ihr heißen Apfelwein, und sie machten bei einer Schneeballschlacht mit. Überall wurde gelacht und geredet, und Jessica war es nach langer Zeit einmal wieder leicht ums Herz.
    Schließlich küsste Gage sie im Schatten eines Baumes, der nahe beim Feuer stand. Jessica dachte noch, dass sie sich eigentlich gegen ihn wehren müsste, um den Schein zu wahren, aber Tatsache war, dass sie das einfach nicht wollte. Sie gestattete den Kuss und erwiderte ihn sogar, und als er vorbei war, hatte sie das Gefühl, als ob sich alle Himmelsrichtungen vermischt hätten.
    Jessica ergriff eine Hand voll Schnee und warf ihn Gage spielerisch ins Gesicht.
    Er lachte, und seine Arme lagen noch immer leicht um ihre Taille.
    »Wie kommt es nur, dass du so eine widerborstige Frau bist?«
    »Ich bin keine widerborstige Frau!«
    Er lachte leise. »Ich verstehe. Was bist du dann?«
    Jessica war einen Moment um eine Antwort verlegen. Die kalte Luft verschlug ihr den Atem - zumindest erklärte sie sich das damit und sie fühlte sich beschwingt, wie sie es nur einmal zu Weihnachten an Bord eines Schiffes erlebt hatte, als sie alle mit Champagner auf das Fest angestoßen hatten.
    Andererseits fing sie gerade jetzt wieder an, sich an Dinge zu erinnern - zum Beispiel daran, dass dieser Mann Michaels Kredite eingefordert hatte. Und dass er die Zeitung für sich haben wollte und sie wohl nur deshalb so nett behandelte, damit sie ihm nachgab. Der Zauber verflog langsam, und Jessica spürte plötzlich einen Schmerz, der ganz anders war als der über den Verlust ihres Bruders und seiner Frau, und rasch trat sie zurück.
    »Das funktioniert nicht, Mr. Calloway«, sagte sie dabei.
    Gage wusste, wovon sie sprach, das erkannte sie an seinem Gesichtsausdruck. Aber da er Anwalt und daran gewöhnt war, andere von seiner Meinung zu überzeugen, versuchte er, die Verstellung aufrechtzuerhalten. »Warum sind Sie nur so misstrauisch?«
    »Sie haben meinen Bruder zerstört! Sie haben die Banken überredet, die Kredite zurückzufordern. Wegen Leuten wie Ihnen und Ihresgleichen ist er gestorben.«
    Gage starrte sie an. Anscheinend hatte er geglaubt, sie wisse nichts davon, und sein Leugnen kam zu spät. »Ich war Michaels Freund, ob er sich dessen bewusst war oder nicht. Einer der besten, die er je hatte.«
    Jessica straffte die Schultern und richtete sich zu ihrer vollen Größe auf. Dieser Mann musste vollkommen verrückt sein, er hatte doch sicherlich Michaels Artikel gelesen. Gage und ihr Bruder mussten einige hitzige Auseinandersetzungen gehabt haben.
    Nun, wie es aussah, war die kurze Idylle vorüber. Es war an der Zeit, dass sie mit den Zwillingen nach Hause ging, wo sie hingehörten.

5
     
    Am nächsten Morgen war Jessica noch vor den Zwillingen wach, und nachdem sie ihnen frische Windeln angelegt und gefüttert hatte, wickelte sie sie warm ein und trug sie nach unten in das Zeitungsbüro. Zufrieden räkelten sich die Babys in ihren beiden Apfelkisten, die Jessica dafür aus dem Schuppen hereingeholt und dick ausgepolstert hatte. Es würde nicht einfach sein, sich um zwei Babys zu kümmern und dabei auch noch die Gazette herauszugeben, aber sie hatte auch nie erwartet, dass es einfach werden würde. Und bislang war sie auch noch nicht enttäuscht worden.
    Im Büro war es so kalt, dass der Boden dünn überfroren war. Der Ofen war widerspenstig und qualmte, bis es überall grau war, und die Zwillinge husteten und keuchten. Voller Panik riss Jessica die Fenster und die Tür zur Straße auf und wedelte mit der Schürze, um den Qualm zu vertreiben.
    Gage Calloway kam hereingestürmt, gefolgt von einer Frau, die Jessica in der vergangenen Nacht nur kurz gesehen hatte. Ihr Name war Comucopia, und der Name stand ihr gut, denn sie hatte äußerst weibliche Formen und dunkelrote Haare. Das war eine Frau, zu der sich Männer bestimmt sofort hingezogen fühlen. Sie war die Besitzerin des Ladens und schien Jessica trotz Almas niedriger Meinung von ihr eine sympathische Person zu sein.
    »Gute Güte«, rief Gage. »Brennt es hier?«
    Die Babys fingen an zu jammern, und Comucopia drängte sich an Gage und Jessica vorbei und sprach beruhigend auf sie ein. »Ich nehme die beiden Lieblinge mit in den Laden«, verkündete sie.

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