Jessica
Zufriedenheit. Das erste Mal in ihrem Leben war sie ganz alleine. Jetzt würde sie die Regeln aufstellen, die im Hause galten, nicht ihr Onkel oder ihr Arbeitgeber oder ihr Bruder, so sehr sie ihn auch geliebt hatte. Nein, von jetzt an war sie unabhängig, und auch wenn ihr der Gedanke Angst einjagte, so weckte er auch das Verlangen in ihr, die Arme weit auszubreiten und vor Freude laut zu lachen und sich im Kreise zu drehen - wie sie es vor langer Zeit gemacht hatte, als sie noch ein Kind gewesen war.
Jacob hatte den Pferdeschlitten selbst gebaut, eigens für eine Nacht wie diese; und jetzt war der Schlitten bereits voller Heu und lachender Menschen, als Jacob das Gespann vor dem Zeitungsgebäude zum Stehen brachte.
Gage sprang vom Schlitten hinunter in den Schnee und wunderte sich über das Ziehen in seinem Magen. Das kam wohl von der Aussicht, Jessica Barnes wiederzusehen. Denn dieses Wiedersehen würde ihn wahrscheinlich ziemlich mitnehmen. Er konnte nur hoffen, dass sie ihm nicht die Tür vor der Nase zuschlug, wo doch halb Springwater vor der Tür lauerte und jedes Wort mitbekommen würde, das sie wechselten. Trey und Landry neckten ihn ohnehin schon wegen Miss Jessica Barnes, und hier stand er nun und wurde wahrscheinlich gleich zur Zielscheibe ihres Spottes.
Gage zögerte kurz am Fuß der Treppe und stieg dann h och, um anzuklopfen.
Als Jessica öffnete, wirkte sie überrascht, und sie sah verdammt schön aus, obwohl sie nur ein einfaches braunes Kleid trug. Wenn sie nicht in jedem Arm ein Baby gehalten hätte, wäre er wahrscheinlich wie ein scheuer Junge zurückgelaufen, aber die Zwillinge entschieden di e Sache anders. Er konnte sie doch nicht einfach so stehen lassen.
»Ziehen Sie Ihren Mantel an«, sagte er und nahm ihr die Kinder mit einer Geschicklichkeit ab, die sie beide überraschte. Er sprach sehr schnell, um ihr keine Gelegenheit zu einer Absage des Eisvergnügens zu geben. »Es ist kalt.«
Sie sah ihn an. »Ich hatte vor, zu Fuß zu m Teich zu gehen«, erwiderte sie.
»Zu Fuß? Mit zwei Babys? Miss Barnes, bis zum Teich ist es eine Meile weit, und obwohl das Vieh Trampelpfade im Schnee gemacht hat, ist noch genug Schnee übrig, um das Laufen zu einer Strapaze zu machen.«
Jessica blinzelte. Gage wusste, dass sie ihm am liebsten die Babys entrissen und geschrien hätte, dass sie nichts mit ihm zu tun haben wollte. Es war nicht schwer sich zu denken, warum nicht, wenn er an die kontroversen politischen Diskussionen dachte, die er mit ihrem Bruder geführt hatte - aber er wollte verdammt sein, wenn er sich jetzt vor allen zum Narren machte und ohne sie zum Schlitten zurückging.
Er wies mit dem Kopf in Richtung Schütten, weil er die Arme voll hatte. »Die ganze Stadt wartet dort hinten«, sagte er ungeduldig, »also brauchen Sie keine Angst um Ihre Tugend zu haben.«
Das ließ sie erröten, was er gründlich und ohne Scham genoss. Sie mochte ja ein stacheliger Blaustrumpf mit einem Herzen aus Eis sein, aber sie brachte einen Mann ganz sicher auch dazu, sich zu wünschen, sie zu wärmen und ihr Herz aufzutauen.
»Na gut«, sagte Jessica, schlüpfte in ihren Mantel und ergriff ein Paar abgetragener Schlittschuhe. »Dann bleibt mir wohl keine andere Wahl.« Sie trat auf die Treppe hinaus, und die Sterne spiegelten sich in ihren Augen, als sie unsicher zu Gage aufsah. »Ich ... vielleicht könnten wir höflich miteinander umgehen ... nur für heute Nacht?«
Fast hätte Gage laut gelacht. Sie hätte genauso gut ankündigen können, dass die Kämpfe im Morgengrauen wiederaufgenommen würden, damit er sich nicht zu sehr einlullen ließe. »In Ordnung«, stimmte er mühsam beherrscht zu. Dann drehte er sich um und ging voran, wobei er sich die ganze Zeit ärgerte, dass ihm keine bessere Antwort eingefallen war. So viel zu seinem Ruf als Redner.
Im Schlitten saß er sehr nahe neben ihr, weil er noch immer eines der Babys im Arm hielt - das andere hatte ihm Junebug sofort abgenommen -, und er ärgerte sich, weil sein Herz so heftig klopfte. Er hatte ein flaues Gefühl im Magen und konnte nur hoffen dass der Grund dafür ni ch t das war, was er für den Grund hielt.
Das letzte Mal, als er dieses Gefühl gehabt hatte, hatte er den Fehler seines Lebens begangen, der ihn praktisch alles gekostet hatte, was ihm im Leben etwas bedeutet hatte. Der beträchtliche Treuhandfonds, den ihm seine Großmutter hinterlassen hatte, war zwar noch da, aber verglichen mit dem Verlust seiner Familie, seiner
Weitere Kostenlose Bücher