Jessica
Braut.«
Jessica war jetzt vollkommen verwirrt. »Sie wussten wahrscheinlich über den Streit zwischen Gage und meinem Bruder Bescheid?«
»Einen Streit würde ich das nicht nennen«, sagte Comucopia mit einem freundlichen Lächeln für die Babys - eines hatte ihren Finger in sein fettes Weines Händchen genommen. »Die Leute können über fast alles geteilter Meinung sein und trotzdem nett miteinander umgehen.« Sie sah Jessica über den Ladentisch hinweg an, auf dem die Zwillinge in ihren Kisten lagen. »Setzen Sie sich kurz dort ans Feuer, Sie sind ja ganz durchgefroren. Was Sie jetzt brauchen, ist heißer Tee und ein Schwatz unter Frauen.«
Jessica war zu dankbar, um das Angebot abzulehnen, auch wenn ihr Stolz ihr sagte, dass sie selber zurechtkommen musste, ohne sich immer auf andere zu verlassen. Sie setzte sich und genoss die Wärme, die von dem Ofen ausging.
»Ich nehme an, die alte Dame hat Ihnen erzählt, dass ich ein Flittchen bin«, sagte Comucopia geradeheraus, als sie aus ihren Räumen hinter dem Laden zurückkam, wo sie einen Tee zubereitet hatte.
Jessica war verstört. »Nun ...«
Comucopia reichte Jessica eine der Tassen, setzte sich hin und wedelte mit der Hand, als gelte es, einen üblen Geruch zu vertreiben. »Tatsache ist, dass da der Rancher aus Choteau war. Ich habe für ihn gekocht, und während eines langen Winters sind wir uns näher g ekommen. Das Dumme war, dass er mir nicht gesagt h at, dass er zu Hause eine Frau hat, bis sie eines Tages hier auftauchte. Was diese Frau für Ausdrücke kannte! Ich habe mich natürlich von ihm getrennt, aber erst, nachdem er mir das Geld gegeben hat, das ich für diesen Laden brauchte.« Sie schwieg und nahm einen Schluck Tee. »Wie sich herausstellte, war seine Frau eine Freundin von Alma. Deshalb ist Alma nie zu mir gekommen.«
Erstaunt sah Jessica die andere Frau an. »Meine Güte«, sagte sie schließlich, als sie die Geschichte verdaut hatte. Doch dann kam sie wieder auf ihr eigentliches Thema zu sprechen, den Bruch zwischen Michael und Gage Calloway. »Warum haben Sie gesagt, Sie würden die Unstimmigkeiten zwischen meinem Bruder und Gage nicht als Streit bezeichnen!«
Comucopia zuckte die Achseln. Sie war sehr attraktiv mit ihrem großen Busen, der rosigen Haut und den grünen Augen. »Am Ende wusste Michael nicht mehr so genau, was er sagte. Nicht dass er gelogen hätte, das nicht. Aber seit Victorias Tod war er nicht mehr ganz er selbst.«
»Er hat sie sehr geliebt.«
Comucopia seuf z te und nickte. »Ja, das hat er. Aber sie waren dem Leben hier nicht gewachsen, beide nicht. Manche Leute eignen sich einfach nicht als Pioniere.«
Insgeheim musste J essica ihr Recht geben, aber aus Respekt vor Michael und seinen Träumen sagte sie nichts. »Was ist mit Mr. Calloway? Was führt einen Mann wie ihn nach Springwater? Er scheint mir auch kein typischer Pionier zu sein.«
Comucopia dachte eine Weile nach, ehe sie die Frage beantwortete. »Soweit ich weiß, hatte er familiäre Probleme in San Francisco. Daher kommt er, wissen Sie. Wie auch immer, es gab da einen Streit, und ich schätze mal, der Umzug nach Springwater war für ihn so etwas wie die Flucht ans Ende der Welt. Soweit ich das sagen kann, ist er hier glücklich.« Ein berechnender Ausdruck trat in Comucopias Augen, und sie schwieg für einen Moment. »Wenn auch einsam, ja. Das kann jeder sehen.«
Jessica fragte sich, ob Comucopia wohl selber in Gage verliebt war und ob er je Trost in den Räumen hinter dem Laden gesucht hatte. Insgeheim hoffte sie, dass dem nicht so war, auch wenn es keine Rolle spielen durfte, was er bisher getan hatte.
Comucopia hatte ihre Gedanken erraten, denn sie lächelte traurig und sagte: »Keine Sorge, Miss Barnes, ich habe es nie geschafft, dass Gage Calloway sich auch nur nach mir umdreht, obwohl ich es wahrlich versucht habe. Bis Sie hierher kamen, war er mit seinen Gedanken immer noch bei derienigen, die ihn verlassen hat. Er hätte es nicht einmal gemerkt, wenn ich am helllichten Tag nackt auf einem Maultier die Hauptstraße entlanggeritten wäre.«
Trotz allem konnte Jessica ein Lachen nicht unterdrücken, als sie sich diese Situation vorstellte. Gleichzeitig fragte sie sich - als ob sie einen Grund dazu hätte -, welche Frau Gage wohl verlassen hatte. Er hatte ihr das große Haus gegenüber den Parrishs gebaut und liebte sie wahrscheinlich noch immer.
Jessica verdrängte den Gedanken - vorerst zumindest. Wie es aussah, hatte sie im Moment genug
Weitere Kostenlose Bücher