Jesus liebt mich
Aktivität.
Furchtbar nur, dass die Welt bald enden sollte und die Chancen, dass Gabriels Angebetete ins Himmelreich kommen sollte, gegen null tendierten. Er hatte versucht, Silvia zu bekehren, aber sie hatte seine Bibel nur auf den Nachttisch gelegt und ihn einfach am Ohrläppchen geknabbert. Da hatte er glatt vergessen, dass er sie bekehren wollte.
Aber selbst wenn seine große Liebe es ins Himmelreich schaffen würde, bezweifelte er, dass im Reich Gottes dieser wunderbare Sägemechanismus vorgesehen war.
Maries Mutter fragte Gabriel: «Was schaust du so besorgt?»
Gabriel wiegelte ab, dass alles gut sei, und gab ihr einen Kuss.
«Hat es was mit dem Zimmermann zu tun?» Silvia ließ nicht locker, sie war schließlich Psychologin.
Gabriel überlegte: Er konnte sie nicht einweihen. Er konnte
ihr nicht sagen, dass Jesus, bevor er zur großen Schlacht Gut gegen Böse nach Jerusalem zog, noch einmal unter den Menschen wandeln wollte, um sein geliebtes Handwerk als Zimmermann ein letztes Mal auszuüben, dass der Messias zu diesem Zweck zu Gabriel gekommen war, weil er der Engel war, den Jesus am meisten liebte, und dass Gabriel Jesus zwar gewarnt hatte, wie sehr sich die Zeiten doch geändert hätten und ein Wandeln unter den Menschen ihm nicht viel Freude bereiten würde, aber dass der Messias nun mal ein extrem sturer Kerl war, den man von nichts abbringen konnte, wenn er es sich einmal in den Kopf gesetzt hatte (davon konnten die Rabbiner in den Tempeln ein Klagelied singen). Und schon gar nicht konnte Gabriel Silvia verraten, dass Jesus eine Abendverabredung ausgerechnet mit ihrer Tochter hatte.
Was wollte er nur von Marie?
«Beantwortest du mir heute noch die Frage?» , wollte Silvia nun wissen.
Er wandte sich an sie und erklärte lediglich: «Der Zimmermann ist ein großer Mann.»
«Er hat bestimmt nicht deine Größe» , schmunzelte meine Mutter, und Gabriel wurde rot. Eins war klar: An ihre anzüglichen Bemerkungen über sein Sägeorgan würde er sich in den verbleibenden Tagen, in denen die Welt noch in der jetzigen Form existierte, sicherlich nicht gewöhnen.
Silvia begann ihn wieder zu küssen. Sicher, sie hatte Interesse an seinen Problemen, andererseits war sie viel zu lange schon ohne einen Mann an ihrer Seite. Das Psychologengespräch würde Zeit haben.
Doch Gabriel ging auf ihre Liebkosungen nur halbherzig ein. Er war in Gedanken bei Joshua. Seine Aufgabe war groß. Er sollte Gottes Reich auf Erden errichten. Und dabei durfte ihn niemand stören. Aber andererseits: So eine durchschnittliche
Person wie Marie konnte ja wohl kaum Sand in das Endzeitgetriebe streuen. Oder?
16
Benommen betrat ich das Haus meines Vaters und traf da auf Swetlana. Sie war barfuß, hatte einen Bademantel an, lehnte an der Spüle und trank mitten in der Nacht einen Kaffee. Vor meinem geistigen Auge sah ich, wie sie mit meinem Vater geschlafen hatte. Da hätte ich mir am liebsten mein geistiges Auge ausgerissen.
«Was war das vorhin für ein Lärm da draußen? Klang wie eine Schlägerei?», fragte Swetlana. Sie konnte sehr gut Deutsch. Angeblich hatte sie ja studiert, höchstwahrscheinlich an der Weißrussischen Staatsuniversität für angewandte Heiratsschwindelei.
Ich war tierisch wütend. Was ging sie das an, was das für ein Lärm war? Was musste ich mich mit ihr überhaupt unterhalten? Warum war sie nicht in Minsk geblieben? Warum war dieser blöde Eiserne Vorhang gefallen? Wo waren die totalitären Regime, wenn man sie mal wirklich brauchte?
«Lass mich in Frieden», erwiderte ich angefressen. «Und lauf hier nicht so leicht bekleidet herum.»
Swetlana schaute mich verärgert an. Ich hielt dem Blick stand, vielleicht könnte ich sie ja wegstarren! Superman hätte sie mit Hitzeblick in Staub verwandelt.
«Du bist sehr unhöflich zu mir», entgegnete sie. «Ich möchte, dass du dein Verhalten mir gegenüber änderst.»
«Einverstanden, ich werde gerne noch unhöflicher», antwortete ich.
«Du willst, dass ich von hier fortgehe», stellte sie fest.
«Och, nicht unbedingt, du kannst auch spontan verbrennen.»
«Ob du es glaubst oder nicht, ich liebe deinen Vater.»
«Klar, du kennst ihn ja auch schon seit immerhin drei Wochen», ätzte ich.
«Manchmal braucht man nur einen Augenblick, um sich zu verlieben», erwiderte sie.
Warum nur schoss mir dabei jetzt Joshua durch den Kopf? Ich schüttelte den Gedanken an den Zimmermann wieder ab und sagte zu Swetlana: «Du hast doch nur über eine Partneragentur
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