Jesus von Nazaret
betreten durfte. Antipas musste Menschen aus allen Teilen des Landes zwingen, sich in Tiberias anzusiedeln. Es wurden sogar Häuser für Bettler gebaut, um sie in die Stadt zu locken.
Jesus machte einen weiten Bogen um die groÃen Städte wie Tiberias und Sepphoris. Mag sein, dass der Boden für ihn dort zu heià war. In erster Linie aber wollte er zu den einfachen Leuten auf dem Lande, die in den Dörfern Galiläas lebten. In einem Dorf wie Kana beispielsweise, wo Jesus mit seinen Jüngern auftauchte. Inzwischen hatte sich die Gruppe vergröÃert. Ein Mann namens Natanael war dazugestoÃen, ein kritischer Geist, der zunächst nicht fassen konnte, dass aus einem Nest wie Nazaret etwas Gutes kommen kann. Er selbst kam aus Kana und hat vielleicht Jesus in sein Heimatdorf eingeladen, wo gerade eine Hochzeit stattfand. (Joh 2,1-12)
Jesus und seine Begleiter nahmen an dem Fest teil. Und auch seine Mutter und seine Geschwister waren unter den Gästen, was sich möglicherweise damit erklären lässt, dass Braut oder Bräutigam zur Verwandtschaft gehörten. In der Schilderung des Evangelisten Johannes ist Jesusâ Verhältnis zu seiner Mutter weiter frostig und gereizt. Als Maria ihren Sohn darauf hinweist, dass den Gastgebern der Wein ausgegangen ist, schnauzt er sie an: »Was willst du von mir, Frau?« Doch dann lässt er sich doch überreden, etwas gegen den Notstand zu tun. Jesus war kein Spielverderber, und im Gegensatz zu Johannes dem Täufer war er auch kein Asket, der sich von Heuschrecken und Honig ernährte. Jesus mochte Leute nicht, die sich kasteiten und fasteten, nur um ihre Frömmigkeit zu beweisen. Er selbst aà und trank gern, wenn sich dazu die Gelegenheit bot. Engherzige und kleinkarierte Gesetzeshüter drehten ihm daraus wieder einen Strick und nannten ihn einen »Säufer und Fresser« (Lk 7,34).
Auf der Hochzeit zu Kana weist Jesus die Bediensteten an, steinerne Krüge mit Wasser zu füllen. Als der für das Essen und Trinken zuständige Zeremonienmeister davon probiert, stellt er fest, dass es sich um einen guten Wein handelt, viel besser als derjenige, den die Hochzeitsgäste zuvor serviert bekommen hatten.
Zu diesem Weinwunder gibt es unzählige Erklärungen. Manche haben versucht, dieses Ereignis ganz vernünftig zu deuten, etwa indem sie behaupteten, der Wein, der sogeheimnisvoll in die Krüge kam, sei in Wahrheit nichts anderes gewesen als das Hochzeitsgeschenk von Jesus und seiner Familie an das Brautpaar. Andere Theologen lesen diese Geschichte rein symbolisch und sehen darin einen Hinweis auf das letzte Abendmahl, bei dem Jesus Wein in sein Blut verwandelt. 61
Wie auch immer. Jedenfalls hat Jesus auf dieser Hochzeitsfeier für einigen Wirbel gesorgt und auf sich aufmerksam gemacht. Auch das Dorf Kana hat davon profitiert, bis heute ist es ein Ziel vieler Touristen und Pilger. Kfar Kanna, wie der Ort heute heiÃt, liegt auf dem »Jesus Trail«, der von Nazaret nach Kafarnaum führt. Wer Jesus auf sportliche Weise nachfolgen will, der kann diese Strecke zu Fuà in vier Tagen zurücklegen. In Kfar Kanna trifft er dann nicht nur auf Wanderer, sondern auf viele Busse, die sich vor der »Hochzeitskirche« stauen. Ãberall wird der »Wedding Wine« angeboten und dann zu Geld verwandelt. Und in der Kirche sammeln sich viele Paare, die diesen besonderen Ort nutzen, um ihr Hochzeitsversprechen zu erneuern.
Im Vergleich zu den späteren Heilungswundern war die Verwandlung von Wasser zu Wein für Jesus eine leichte und feucht-fröhliche Ãbung. Dass solche Wunder nicht zwangsläufig dazu führten, dass die Menschen Jesus als Messias verehrten und seinen Worten glaubten, das wird in den Evangelien immer wieder betont. Jesus war angewiesen auf das Vertrauen der Leute, oder mit einemanderen Wort: auf ihren Glauben. Nur bei Menschen, die ihm dieses Vertrauen entgegenbrachten, konnte er auch Wunder wirken. Umgekehrt blieben Wunder dort aus, wo dieser Glaube fehlte.
Das sollte Jesus in drastischer Weise erfahren, als er das erste Mal wieder in seinem Heimatdorf Nazaret war. (Lk 4,16-30) Es war ein Sabbat, und Jesus ging in die Synagoge, die er schon seit Kindertagen kannte. Nachdem der vorgeschriebene Text aus der Heiligen Schrift verlesen worden war, lieà sich Jesus die Rolle des Propheten Jesaja reichen. Denn er hatte wie jeder jüdische Mann das Recht, aus der Schrift
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