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Jesus von Nazaret

Jesus von Nazaret

Titel: Jesus von Nazaret Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alois Prinz
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Mensch und Gott begegnen. Eine Verwandlung, wie Jesus sie gefordert und erhofft hat, wird möglich. Die unsichtbare Wirklichkeit des Göttlichen wird sinnlich erfahrbar. Das Geheimnis der göttlichen Liebe wird auf diese Weise greifbar, fassbar, sichtbar und spürbar. Und gleichzeitig kann ein Mensch durch diese festgelegte Handlung aus der Enge seines Alltags herausgerissen werden, und er entgeht der Gefahr, in den Sorgen und Pflichten seiner Lebenswelt zu versinken. 92

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P FEILE DES T EUFELS
UND DIE S ÜNDE DER F EIGHEIT
    Während des Essens hatte Jesus angedeutet, dass ihn einer der Jünger verraten werde. Alle waren entsetzt gewesen über diesen Verdacht, und jeder wollte von Jesus bestätigt haben, dass er nicht der Verräter sei. Als Judas Ischarioth die Runde vorzeitig verließ, dachte sich keiner der Jünger etwas dabei. Judas war der Kassenwart der Gruppe, und alle glaubten, dass Jesus ihn weggeschickt habe, damit er für die bevorstehenden Feiertage das Nötige besorge.
    Judas hatte jedoch anderes vor. Er wusste, dass Jesus an diesem Tag nicht nach Betanien zurückkehren wird. Und im Laufe des Abends hatte er erfahren, dass Jesus nach dem Essen zu einem abgelegenen, ruhigen Landgut mit Ölbäumen im Osten der Stadt gehen will. Das war die Information, die er brauchte und auf die die Tempelbehörde schon ungeduldig wartete.
    Mit den anderen Jüngern ging Jesus durch die nächtlichen Gassen Jerusalems. Sie stiegen hinab in das Bachbett des Kidron, um zu dem Garten auf der anderen Uferseitezu gelangen. Auf dem Weg dorthin sprach Jesus davon, dass er weggehen werde, an einen Ort, wohin ihm niemand folgen könne. Die Jünger verstanden nicht, was er damit sagen wollte. Vor allem Petrus weigerte sich zu akzeptieren, dass er sich von Jesus trennen sollte. Überallhin wollte er ihm folgen, und wenn es sein musste, würde er auch sein Leben für ihn geben. Jesus ließ sich von solchen vollmundigen Treueschwüren nicht beeindrucken. Im Gegenteil. Er meinte, dass noch in dieser Nacht sogar seine Freunde an ihm zweifeln und ihn im Stich lassen werden.
    Petrus war sicher gekränkt darüber, dass sein Herr so wenig Vertrauen in seine engsten Gefährten hatte, und wenigstens er wollte keinen Zweifel an seiner Treue aufkommen lassen. Selbst wenn alle von ihm abfielen, beteuerte er, so werde er niemals an Jesus zweifeln und immer zu ihm halten. Und er glaubte Jesus nicht, als der sagte: »In dieser Nacht, ehe der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen.« (Mt 26, 34)
    Der Ort, den die Gruppe aufsuchte, war eine Plantage mit Olivenbäumen, die bekannt war als Garten Getsemani, was so viel heißt wie Ölkelter. In einem kleinen Gehöf wurde hier das Öl aus den geernteten Oliven gepresst. Auf dem Gelände befand sich auch eine Felsengrotte, in der man zur Not auch die Nacht verbringen konnte. Die Jünger waren nach dem langen Tag todmüde und wollten sich auch gleich hinlegen. Jesus aber bat sie,mit ihm wach zu bleiben, denn er konnte nicht schlafen, dazu war er zu unruhig und bedrückt.
    Alleine ging er ein paar Schritte abseits, um zu beten. Er war voller Ängste, und er wandte sich an »Abba«, seinen Vater mit der Bitte, wenn möglich doch alles, was ihm an Leiden bevorstand, zu verhindern. Jesus ist in dieser von allen Synoptikern beschriebenen Szene kein furchtloser Held, kein unerschütterlicher Halbgott. Er hat Angst, furchtbare Angst. Und wie schon bei seiner Begegnung mit dem Teufel in der Wüste ist er nicht frei von Zweifeln. Leicht wäre es für ihn zu fliehen, zu seinen Freunden nach Betanien und von dort nach Galiläa. Aber mit einer Flucht würde er alles verraten, was er gelebt und gesagt hat. Mehr denn je zuvor braucht Jesus die Verbindung zu seinem Vater, nichts anderes bedeutet es für ihn, zu beten. Nur in und mit diesem kindlichen Vertrauen zu seinem Vater findet er die Kraft, seine Angst zu überwinden und weiterhin an seine Botschaft zu glauben.
    Ganz anders seine Jünger. Als Jesus nach ihnen sieht, findet er sie schlafend. Er weckt sie und fordert sie auf, mit ihm wach zu bleiben, um nicht »in Versuchung« zu kommen. Diese Versuchung bestände darin, den Glauben daran zu verlieren, dass es jenseits einer Welt, die von Macht und Gewalt regiert wird, noch etwas anderes gibt, für das es sich zu leben lohnt. Gerät man in den Strudel dieser Versuchung, wird man immer tiefer

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