Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jesus von Nazareth - Band II

Jesus von Nazareth - Band II

Titel: Jesus von Nazareth - Band II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benedikt XVI
Vom Netzwerk:
auf eine neue und machtvolle Weise bei ihnen gegenwärtig ist. Sie wissen, dass „die Rechte Gottes“, zu der er „erhöht ist“, eineneue Weise seiner Gegenwart einschließt, dass er nun unverlierbar bei ihnen ist, so wie eben nur Gott uns nahe sein kann.
    Die Freude der Jünger nach der „Himmelfahrt“ korrigiert unser Bild von diesem Ereignis. „Himmelfahrt“ ist nicht Weggehen in eine entfernte Zone des Kosmos, sondern die bleibende Nähe, die die Jünger so stark erfahren, dass daraus beständige Freude wird.
     
    So hilft uns der Schluss des Lukas-Evangeliums, den Anfang der Apostelgeschichte besser zu verstehen, in dem die „Himmelfahrt“ Jesu ausdrücklich geschildert wird. Dem Entschwinden Jesu geht hier ein Gespräch voraus, in dem die Jünger – immer noch in ihren alten Vorstellungen befangen – danach fragen, ob jetzt die Zeit da sei, das Königtum Israels zu errichten.
    Dieser Vorstellung eines erneuerten David-Reiches stellt Jesus eine Verheißung und einen Auftrag entgegen. Die Verheißung ist, dass sie von der Kraft des Heiligen Geistes erfüllt werden; der Auftrag besteht darin, seine Zeugen bis an die Grenzen der Erde zu sein.
    Das Fragen nach Zeiten und Fristen wird ausdrücklich abgelehnt. Nicht Geschichtsspekulation, nicht Ausschau nach kommendem Unbekanntem ist die Haltung der Jünger. Christentum ist Gegenwart: Gabe und Auftrag, Beschenktwerden mit der inneren Nähe Gottes und – aus dieser heraus – Wirken im Zeugnis für Jesus Christus.
    In diesem Zusammenhang steht dann die Aussage von der Wolke, die ihn aufnimmt und ihren Blicken entzieht. Die Wolke erinnert uns an die Stunde der Verklärung, in der die helle Wolke auf Jesus und die Jünger fällt (vgl. Mt 17,5; Mk 9,7; Lk 9,34f). Sie erinnert uns an die Stundeder Begegnung Marias mit dem Gottesboten Gabriel, der ihr die „Überschattung“ mit der Kraft des Höchsten ankündigt (vgl. Lk 1,35). Sie erinnert uns an das heilige Gotteszelt des Alten Bundes, in dem die Wolke Zeichen der Gegenwart des Herrn ist (vgl. Ex 40,34f), der auch auf der Wüstenwanderung Israel als Wolke vorangeht (vgl. Ex 13,21f). Die Rede von der Wolke ist ganz eindeutig theologische Rede. Sie stellt das Entschwinden Jesu nicht als Reise zu den Sternen, sondern als Eintreten ins Geheimnis Gottes dar. Damit ist eine ganz andere Größenordnung, eine andere Dimension des Seins angesprochen.
    Das Neue Testament – von der Apostelgeschichte bis zum Hebräer-Brief – hat den „Ort“, an den Jesus mit der Wolke gegangen ist, im Anschluss an Ps 110,1 als Sitzen (oder Stehen) zur Rechten Gottes beschrieben. Was heißt das? Damit ist nicht ein ferner kosmischer Raum angesprochen, an dem Gott sozusagen seinen Thron aufgerichtet und auf diesem Thron auch Jesus einen Platz gegeben hätte. Gott ist nicht in einem Raum neben anderen Räumen. Gott ist Gott – er ist Voraussetzung und Grund aller Räumlichkeit, die es gibt, aber nicht selbst einer davon. Gott steht zu allen Räumen als der Herr und der Schöpfer. Seine Gegenwart ist nicht räumlich, sondern eben göttlich. „Zur Rechten Gottes sitzen“ bedeutet Teilhabe an dieser Raummächtigkeit Gottes.
    In einem Streitgespräch mit den Pharisäern gibt Jesus selbst dem Psalm 110 eine neue Auslegung, die dem Verstehen der Christen den Weg gewiesen hat. Der Vorstellung vom Messias als einem neuen David mit einem neuen davidischen Reich – der Vorstellung, die uns eben bei den Jüngern begegnet ist – stellt er eine größere Sicht des Kommenden entgegen: Nicht Davids Sohn, sondern DavidsHerr ist der wahre Messias. Nicht auf Davids Thron, sondern auf Gottes Thron sitzt er (Mt 22,41   –   45).
    Der scheidende Jesus geht nicht irgendwo hin auf ein fernes Gestirn. Er geht in die Macht- und Lebensgemeinschaft mit dem lebendigen Gott ein, in Gottes Raumüberlegenheit. Darum ist er nicht „weggegangen“, sondern nun immer von Gottes eigener Macht her bei uns und für uns da. In den Abschiedsreden des Johannes-Evangeliums sagt Jesus gerade dies zu seinen Jüngern: „Ich gehe und ich komme zu euch“ (14,28). Hier ist das Besondere des „Weggehens“ Jesu, das zugleich sein „Kommen“ ist, wunderbar zusammengefasst, und damit ist zugleich das Geheimnis von Kreuz, Auferstehung und Himmelfahrt ausgelegt. Sein Weggehen ist gerade so ein Kommen, eine neue Weise der Nähe, bleibender Gegenwart, mit der auch Johannes die „Freude“ verbindet, von der wir eben im Lukas-Evangelium gehört haben.
    Weil Jesus beim

Weitere Kostenlose Bücher