Jesus von Nazareth - Band II
dem Pascha und dem Fest der Ungesäuerten Brote“ (14,1), berichtet dann von der Salbung in Bethanien sowie vom Verrat des Judas und fährt daraufhin fort: „Am ersten Tag des Festes der Ungesäuerten Brote, an dem man das Pascha-Lamm schlachtete, sagten die Jünger zu Jesus: Wo sollen wir das Pascha-Mahl für dich vorbereiten?“ (14,12).
Johannes sagt demgegenüber allgemein: „Es war vor dem Pascha-Fest … Es fand ein Mahl statt …“ (13,1f). Das Mahl, von dem Johannes berichtet, findet „vor dem Pascha-Fest“ statt, während die Synoptiker das Letzte Mahl als Pascha-Mahl darstellen und somit von einer gegenüber Johannes um einen Tag verschiedenen Zeitrechnung auszugehen scheinen.
Auf die vieldiskutierten Fragen dieser unterschiedlichen Chronologien und ihrer theologischen Bedeutung werden wir zurückkommen müssen, wenn wir das Letzte Mahl Jesu und die Stiftung der Eucharistie bedenken.
Die Stunde Jesu
B leiben wir einstweilen bei Johannes, der in seinem Bericht über den letzten Abend Jesu mit seinen Jüngern vor dem Leiden zwei ganz eigene Akzente setzt: Er erzählt uns zunächst, wie Jesus seinen Jüngern den Sklavendienstder Fußwaschung tut; im Zusammenhang damit schildert er auch die Vorhersage vom Verrat des Judas und von der Verleugnung des Petrus. Der zweite Aspekt besteht in den Abschiedsreden Jesu, die ihren Höhepunkt im Hohepriesterlichen Gebet erreichen. Diesen beiden Schwerpunkten soll nun unsere Aufmerksamkeit gehören.
„Es war vor dem Pascha-Fest. Jesus wusste, dass seine Stunde gekommen war, um aus dieser Welt zum Vater hinüberzugehen. Da er die Seinen, die in der Welt waren, liebte, liebte er sie bis ans Ende“ (13,1). Mit dem Letzten Mahl ist die „Stunde“ Jesu gekommen, auf die sein Wirken von Anfang an zugegangen war (2,4). Das Wesentliche dieser Stunde wird von Johannes mit zwei Grundworten benannt: Es ist die Stunde des „Hinübergehens“
(metabaínein / metábasis)
; es ist die Stunde der bis ans Ende reichenden Liebe
(agápē)
.
Die beiden Begriffe erklären sich gegenseitig, sind untrennbar voneinander. Die Liebe selbst ist der Prozess des Übergangs, der Verwandlung, des Heraustretens aus den Schranken des todverfallenen Menschseins, in dem wir alle voneinander getrennt und letztlich undurchdringlich füreinander sind – in einer Andersheit, die wir nicht überschreiten können. Es ist die Liebe bis ans Ende, die die unmöglich scheinende „Metabasis“ bewirkt: das Herausgehen aus den Schranken der geschlossenen Individualität, das eben die Agape ist – den Durchbruch ins Göttliche.
Die „Stunde“ Jesu ist die Stunde des großen Überschritts, der Verwandlung, und diese Umschmelzung des Seins kommt durch die Agape. Sie ist Agape „bis ans Ende“ – womit Johannes an dieser Stelle vor-verweist auf das letzte Wort des Gekreuzigten: „Es ist vollendet –
tetélestai
“(19,30). Dieses Ende
(télos)
, diese Totalität des Sich-Gebens, der Umschmelzung des ganzen Seins, ist eben das Sich-Schenken bis in den Tod hinein.
Wenn Jesus hier wie mehrmals im Johannes-Evangelium von seinem Ausgegangensein vom Vater und von seiner Rückkehr zu ihm spricht, könnte man sich an das antike Schema von
exitus
und
reditus
, von Ausgang und Rückkehr, erinnert fühlen, wie es besonders in der Philosophie Plotins ausgearbeitet ist. Dennoch ist das von Johannes dargestellte Ausgehen und Zurückkehren etwas ganz anderes als das, was in dem philosophischen Schema gemeint ist. Denn bei Plotin wie bei seinen Nachfolgern ist das „Ausgehen“, das dort anstelle des göttlichen Schöpfungsaktes steht, ein Abstieg, der schließlich zum Abfall wird: von der Höhe des „Einen“ herunter in immer niedrigere Zonen des Seins. Die Rückkehr besteht dann in der Reinigung vom Materiellen, in einem allmählichen Aufstieg und in Reinigungen, die das Niedrige wieder abstreifen und schließlich in die Einheit des Göttlichen zurückführen.
Das Ausgehen Jesu hingegen setzt zunächst einmal schon die Schöpfung nicht als Abfall, sondern als positiven Willensakt Gottes voraus. Es ist dann ein Prozess der Liebe, die gerade im Absteigen ihr wahres Wesen erweist – aus Liebe zum Geschöpf, aus Liebe zum verlorenen Schaf – und so im Absteigen das wahrhaft Göttliche offenbart. Und der heimkehrende Jesus streift nicht seine Menschheit wie etwas Verunreinigendes wieder ab. Das Ziel seines Abstiegs war das Annehmen und Aufnehmen der ganzen Menschheit, das Heimkehren mit
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