Jesus von Nazareth - Band II
tieferen Sinn. Er geht in die Nacht, er geht vom Licht fort ins Dunkel; die „Macht der Finsternis“ hat ihn ergriffen (vgl. Joh 3,19; Lk 22,53).
Zwei Gespräche mit Petrus
B ei Judas begegnet uns die alle Zeiten durchziehende Gefahr, dass auch jemand, „der die Erleuchtung empfing, von der himmlischen Gabe genossen und Anteil am Heiligen Geist erhalten hat“ (Hebr 6,4), durch eine Reihe von scheinbar kleinen Weisen der Untreue seelisch verfällt und so am Ende aus dem Licht hinweg in die Nacht geht und nicht mehr der Umkehr fähig ist. In Petrus begegnet uns eine andere Weise der Gefährdung, ja, desFalles, der aber nicht zum Abfall wird und so in der Umkehr geheilt werden kann.
Joh 13 erzählt uns von zwei Gesprächsgängen zwischen Jesus und Petrus, in denen zwei Seiten der Gefahr sichtbar werden. Zunächst will Petrus sich nicht von Jesus die Füße waschen lassen. Das widerspricht seiner Vorstellung von dem Verhältnis zwischen Meister und Jünger, es widerspricht seinem Bild vom Messias, den er in Jesus erkannt hat. Sein Widerstand gegen die Fußwaschung bedeutet im Grunde dasselbe wie seine Einrede gegen die Leidensankündigung Jesu nach dem Bekenntnis bei Caesarea Philippi: „Das sei ferne: Das darf nicht mit dir geschehen“, hatte er damals gesagt (Mt 16,22).
Nun sagt er aus der gleichen Sicht heraus: „In Ewigkeit sollst du mir nicht die Füße waschen“ (Joh 13,8). Es ist die die ganze Geschichte durchziehende Antwort an Jesus: Du bist doch der Sieger. Du hast doch die Macht. Deine Erniedrigung, deine Demut darf nicht sein. Und immer wieder muss Jesus uns neu zu erkennen helfen, dass die Macht Gottes anders ist, dass der Messias durch Leiden hindurch in die Herrlichkeit eingehen und in die Herrlichkeit führen muss.
In der zweiten Gesprächsrunde, nachdem Judas hinausgegangen und nachdem das neue Gebot verkündet ist, geht es um das Martyrium. Es erscheint unter dem Stichwort „hingehen“, „hinübergehen“
(hypágō)
. Jesus hatte nach Johannes bei zwei Gelegenheiten von seinem Hingehen dorthin gesprochen, wohin die Juden nicht kommen konnten (7,34ff; 8,21f). Seine Hörer hatten darüber gerätselt, was er damit meine, und zwei verschiedene Hypothesen darüber aufgestellt. Das eine Mal sagensie: „Will er in die Diaspora zu den Griechen gehen und die Griechen lehren?“ (7,35). Das andere Mal: „Will er sich etwa umbringen?“ (8,22). Beide Male ahnen sie das Richtige und verfehlen die Wahrheit doch gründlich. Ja, sein Hingehen ist ein Gehen in den Tod hinein – aber nicht so, dass er sich selbst umbringt, sondern so, dass er seinen gewaltsamen Tod in die freie Hingabe seines Lebens umwandelt (vgl. 10,18). Und ebenso ging Jesus zwar nicht nach Griechenland, aber durch Kreuz und Auferstehung hindurch ist er in der Tat zu den Griechen gekommen und hat der heidnischen Welt den Vater, den lebendigen Gott, gezeigt.
In der Stunde der Fußwaschung, in der Stimmung des Abschieds, die das Ganze prägt, fragt nun Petrus seinen Meister ganz offen: „Herr, wohin gehst du?“ Und wieder erhält er eine verschlüsselte Antwort: „Wohin ich gehe, dorthin kannst du mir jetzt nicht folgen. Du wirst mir aber später folgen“ (13,36). Petrus begreift, dass Jesus von seinem bevorstehenden Tod redet, und will nun seine radikale Treue bis in den Tod hinein betonen: „Warum kann ich dir jetzt nicht folgen? Mein Leben will ich für dich hingeben“ (13,37). In der Tat wird er hernach am Ölberg mit dem Schwert dreinhauen, bereit, seinen Vorsatz auszuführen. Aber er muss lernen, dass auch das Martyrium nicht heroische Leistung ist, sondern Gnade des Leidenkönnens für Jesus. Er muss vom Heroismus der eigenen Taten Abschied nehmen und die Demut des Jüngers erlernen. Sein Wille zum Dreinschlagen, sein Heroismus, endet mit der Verleugnung. Um sich den Platz am Feuer im Vorhof des hohepriesterlichen Palastes zu sichern und möglichst auf dem neuesten Stand über das Geschick Jesu zu bleiben, behauptet er, ihn nicht zu kennen. SeinHeroismus ist in kleinlicher Taktik zusammengebrochen. Er muss lernen, auf seine Stunde zu warten; er muss das Warten, das Weitergehen lernen. Er muss den Weg der Nachfolge erlernen, um dann zu seiner Stunde dahin geführt zu werden, wohin er nicht wollte (Joh 21,18) und die Gnade des Martyriums zu empfangen.
Im Grunde geht es in beiden Gesprächsrunden um das Gleiche: Nicht Gott vorzuschreiben, was er zu tun hat, sondern ihn annehmen zu lernen, wie er sich uns zeigt;
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