Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jesus von Nazareth - Band II

Jesus von Nazareth - Band II

Titel: Jesus von Nazareth - Band II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benedikt XVI
Vom Netzwerk:
zunächst gesagt, dass der Vater seinen Sohn in die Welt gesandt und ihn geheiligt hat (10,36). Was ist da gemeint? Die Exegeten weisen uns darauf hin, dass es zu diesem Satz eine gewisse Parallele in den Berufungsworten des Propheten Jeremia gibt: „Noch ehe ich dich im Mutterleib formte, habe ich dich ausersehen, noch ehe du aus dem Mutterschoß hervorkamst, habe ich dich geheiligt, zum Propheten für die Völker habe ich dich bestimmt“ (Jer 1,5). Heiligung bedeutet die völlige Beanspruchung dieses Menschen durch Gott, die „Aussonderung“ für ihn, die aber zugleich Sendung für die Völker ist.
    Auch im Wort Jesu sind Heiligung und Sendung unmittelbar verknüpft. So kann man sagen, dass diese Heiligung Jesu durch den Vater mit der Inkarnation identisch ist: Sie drückt zugleich die völlige Einheit mit dem Vater und das völlige Dasein für die Welt aus. Jesus gehört ganz zu Gott und ist gerade deshalb ganz „für alle“ da. „Du bist der Heilige Gottes“, hatte Petrus in der Synagoge von Kafarnaum zu ihm gesagt und damit ein umfassendes christologisches Bekenntnis abgelegt (Joh 6,69).
    Aber wenn der Vater ihn „geheiligt“ hat, was bedeutet dann „ich heilige
(hagiázō)
mich selbst“ (17,19)? Überzeugend ist die Antwort, die Rudolf Bultmann in seinem Johannes-Kommentar auf diese Frage gibt: „
Hagiázō
bedeutet hier im Abschiedsgebet am Eingang der Passion und verbunden mit dem
hypèr autōn
(für sie) ‚heiligen’ im Sinne von ‚zum Opfer weihen’“. Bultmann zitiert dazu zustimmend ein Wort des heiligen Johannes Chrysostomus: „Ich heilige mich – ich bringe mich als Opferdar“ (
Das Evangelium des Johannes,
S.   391, Anm. 3; vgl. auch Feuillet, S.   31 u. 38). Wenn die erste „Heiligung“ sich auf die Inkarnation bezieht, so ist hier von der Passion als Opfer die Rede.
    Bultmann hat den inneren Zusammenhang der beiden „Heiligungen“ sehr schön dargestellt. Jesu vom Vater kommende Heiligkeit ist „Sein für die Welt, für die Seinen“. Diese Heiligkeit ist „kein statisches, substantiales Anderssein als die Welt, sondern er gewinnt sie erst im Vollzuge seines Eintretens für Gott gegen die Welt. Dieser Vollzug aber heißt Opfer. Im Opfer ist er in der göttlichen Weise so
gegen
die Welt, dass er zugleich
für
sie ist“ (a. a. O., S.   391). Man mag an diesem Satz die scharfe Unterscheidung zwischen substantialem Sein und Vollzug des Opfers kritisieren: Jesu „substantiales“ Sein ist als solches ganz Dynamik des
Seins für
; beides ist untrennbar. Aber Bultmann hat vielleicht auch gerade dies sagen wollen. Recht zu geben ist ihm weiterhin, wenn er zu diesem Vers Joh 17,19 sagt, dass „die Anspielung auf die Abendmahlsworte doch wohl unbestreitbar“ sei (a. a. O., S.   391, Anm. 3).
    So steht in diesen wenigen Worten die neue Versöhnungsliturgie Jesu Christi, die Liturgie des Neuen Bundes, in ihrer ganzen Größe und Reinheit vor uns. Jesus selbst ist der vom Vater in die Welt gesandte Priester; er selbst ist das Opfer, das in der Eucharistie aller Zeiten gegenwärtig wird. Irgendwie hatte Philon von Alexandrien das richtig vorausgefühlt, als er vom Logos als Priester und Hohepriester sprach (
Leg. all
. III 82;
De somn.
I 215; II 183; Hinweis bei Bultmann, ebd.). Der Sinn des Versöhnungstages ist ganz erfüllt in dem „Wort“, das Fleisch geworden ist „für das Leben der Welt“ (Joh 6,51).
     
    Kommen wir zu der dritten Heiligung, von der im Gebet Jesu die Rede ist: „Heilige sie in der Wahrheit“ (17,17). „Ich heilige mich, damit auch sie in Wahrheit geheiligt seien“ (17,19). Die Jünger sollen in die Heiligung Jesu hineingezogen werden; auch an ihnen soll sich diese Übereignung in die Sphäre Gottes hinein und damit das Gesandtsein für die Welt vollziehen. „Ich heilige mich, damit auch sie in Wahrheit geheiligt seien“: Ihre Übereignung an Gott, ihre „Heiligung“, ist gebunden an die Heiligung Jesu Christi, ist Beteiligung an seinem Geheiligtsein.
    Zwischen den beiden Versen 17 und 19, die von der Jüngerheiligung reden, gibt es einen kleinen, aber wichtigen Unterschied. Im Vers 19 wird gesagt, dass sie „in Wahrheit“ geheiligt sein sollen: nicht nur rituell, sondern wahrhaftig, in ihrem ganzen Sein – so werden wir dies wohl übersetzen dürfen. Im Vers 17 dagegen wird gesagt: „Heilige sie in
der
Wahrheit“. Hier ist die Wahrheit als Kraft der Heiligung bezeichnet, als „ihre Weihe“.
    Nach dem Buch Exodus vollzieht sich die

Weitere Kostenlose Bücher