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Jesus von Nazareth - Band II

Jesus von Nazareth - Band II

Titel: Jesus von Nazareth - Band II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benedikt XVI
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politischen und militärischen Mitteln zugeneigt waren. Aber die Weise, wie Jesus seinen Anspruch darstellte, erschien ihnen offenbar nicht geeignet, diesem Anliegen wirklich zu dienen. Dann war eher der Status quo vorzuziehen, in dem Rom immerhin die religiösen Grundlagen Israels respektierte und so Tempel und Volk in ihrem Bestand als einigermaßen gesichert gelten durften.
    Nach dem vergeblichen Versuch, aufgrund von Jesu Spruch über Zerstörung und Erneuerung des Tempels eine klare und begründete Anklage gegen ihn zu erheben, kommt es zu dem dramatischen Gegenüber zwischen dem amtierenden Hohepriester Israels, der höchsten Instanz des erwählten Volkes, und Jesus, in dem die Christen später den „Hohepriester der künftigen Güter“ (Hebr 9,11), den endgültigen Hohepriester „nach der Ordnung Melchisedeks“ (Ps 110,4; Hebr 5,6 u.   a.) erkannten.
    In den vier Evangelien erscheint dieser weltgeschichtliche Augenblick als ein Drama, in dem drei verschiedene Ebenen ineinandergreifen, die man zusammensehenmuss, um das Geschehen in seiner Vielschichtigkeit zu erfassen (vgl. Mt 26,57   –   75; Mk 14,53   –   72; Lk 22,54   –   71; Joh 18,12   –   27). Zu derselben Zeit, zu der Kajaphas Jesus verhört und schließlich die Frage nach seiner messianischen Identität stellt, sitzt Petrus im Vorhof des Palastes und verleugnet Jesus. Besonders Johannes hat die chronologische Verschränkung beider Ereignisse eindrucksvoll dargestellt; Matthäus lässt in seiner Version der messianischen Frage vor allem den inneren Zusammenhang zwischen dem Bekenntnis Jesu und der Verleugnung Petri sichtbar werden. Unmittelbar mit dem Verhör Jesu verflochten ist aber auch die Verspottung durch die Tempelknechte (oder durch die Ratsherren selbst?), der im Pilatus-Prozess die Verspottung durch die römischen Soldaten folgen wird.
     
    Kommen wir zum Entscheidenden: zur Frage des Kajaphas und zur Antwort Jesu. Matthäus, Markus und Lukas weichen in der Wiedergabe der Formulierungen im Einzelnen voneinander ab; ihre Fassung des Textes ist durch den Gesamtzusammenhang des Evangeliums und durch die Bezogenheit auf die Verstehensmöglichkeiten ihrer Adressaten mitgeprägt. Wie im Fall der Abendmahlsworte, so ist auch hier eine strikte Rekonstruktion der Kajaphas-Frage und der Antwort Jesu nicht möglich. Das Wesentliche des Vorgangs erscheint dennoch in den drei unterschiedlichen Brechungen durchaus eindeutig und klar. Es gibt gute Gründe dafür, anzunehmen, dass die Fassung des heiligen Markus uns am meisten den ursprünglichen Wortlaut dieses dramatischen Dialogs vernehmen lässt. Aber in der abweichenden Fassung bei Matthäus und Lukas kommen wichtige Aspekte zur Erscheinung,die uns helfen, den Tiefgang des Ganzen besser zu verstehen.
    Nach Markus lautet die Frage des Hohepriesters: „Bist du der Messias, der Sohn des Hochgelobten?“ Jesus antwortet: „Ich bin es. Und ihr werdet den Menschensohn zur Rechten der Macht sitzen und mit den Wolken des Himmels kommen sehen“ (14,62). Dass der Gottesname und das Wort „Gott“ vermieden und durch die Worte „der Hochgelobte“ und „die Macht“ ersetzt werden, ist Zeichen für die Ursprünglichkeit des Textes. Der Hohepriester fragt Jesus nach seiner Messianität und bestimmt sie gemäß Ps 2,7 (vgl. Ps 110,3) mit dem Wort „Sohn des Hochgelobten“ – Sohn Gottes. Von der Frage her gehört dieses Prädikat zur messianischen Überlieferung, wobei freilich die Art der Sohnschaft offenbleibt. Man kann davon ausgehen, dass Kajaphas die Frage nicht nur an theologische Überlieferungen angelehnt, sondern sie gerade auch von der Verkündigung Jesu her formuliert hat, die ihm bekannt geworden war.
    Matthäus setzt in der Formulierung der Frage einen besonderen Akzent. Nach ihm sagt Kajaphas: „Bist du der Messias, der Sohn Gottes selbst?“ Er lässt so direkt das Bekenntnis des Petrus zu Caesarea Philippi anklingen: „Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes!“ (16,16). Im selben Augenblick, in dem der Hohepriester das Bekenntnis Petri als Frage an Jesus richtet, behauptet derselbe Petrus, nur durch eine Tür von Jesus getrennt, ihn nicht zu kennen. Während Jesus „das schöne Bekenntnis“ ablegt (vgl. 1   Tim 6,13), verleugnet der Vor-Beter dieses Bekenntnisses das, was er damals vom „Vater aus den Himmeln“ empfangen hatte; nun spricht nur noch „Fleisch und Blut“ aus ihm (vgl. Mt 16,17).
     
    Nach Markus hat Jesus auf die Frage, an der sein

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