Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jesus von Nazareth - Band II

Jesus von Nazareth - Band II

Titel: Jesus von Nazareth - Band II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benedikt XVI
Vom Netzwerk:
Offb 12,1   –   6). Eine andere Reifestufe des gleichen Gedankens finden wir im Epheser-Brief, der das Wort vom Mann, der Vater und Mutter verlässt und mit der Frau ein Fleisch wird, auf Christus und die Kirche bezieht (vgl. 5,31f). Von dem Modell der „Korporativpersönlichkeit“ her hat dieAlte Kirche – biblischem Denken gemäß – keine Schwierigkeit gefunden, in der Frau einerseits ganz persönlich Maria zu erkennen und andererseits zeitenübergreifend in ihr die Kirche, die Braut und Mutter, zu sehen, in der sich das Geheimnis Marias in die Geschichte hinein auszeitigt.
     
    Wie Maria, die Frau, so ist auch der Lieblingsjünger zugleich eine konkrete Gestalt und ein Typus für Jüngerschaft, wie es sie immer geben wird und geben muss. Dem Jünger, der wahrhaft Jünger ist in der liebenden Gemeinschaft mit dem Herrn, wird die Frau anempfohlen: Maria – die Kirche.
    Das Wort Jesu am Kreuz bleibt offen für viele konkrete Verwirklichungen. Immer neu wird es sowohl der Mutter wie dem Jünger zugesprochen, und jedem ist aufgetragen, es neu in seinem Leben zu erfüllen, wie der Herr es ihm zugedacht hat. Immer wieder ist der Jünger angewiesen, Maria als Person und als Kirche in sein Eigenes hineinzunehmen und so den letzten Auftrag Jesu zu erfüllen.

Jesus stirbt am Kreuz
     
    N ach dem Bericht der Evangelisten ist Jesus um die neunte Stunde, das heißt gegen 3   Uhr nachmittags, betend gestorben. Nach Lukas war sein letztes Gebet dem Psalm 31 entnommen: „Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist“ (Lk 23,46; Ps 31,6). Nach Johannes lautete das letzte Wort Jesu: „Es ist vollbracht!“ (19,30). Dieses Wort
(tetélestai)
weist im griechischen Text zurück auf den Anfang der Passion, auf die Stunde der Fußwaschung,deren Erzählung der Evangelist einleitet, indem er betont, dass Jesus die Seinen „bis ans Ende
(télos)
“ liebte (vgl. Joh 13,1). Dieses „Ende“, diese äußerste Vollendung des Liebens ist nun, in dem Augenblick des Todes, erreicht. Er ist wirklich bis ans Ende, bis an die Grenze und über die Grenze hinausgegangen. Er hat das Ganze der Liebe erfüllt – sich selber gegeben.
    Bei der Behandlung des Ölberg-Gebets Jesu im 6.   Kapitel haben wir von Hebr 5,9 her noch eine andere Bedeutung des gleichen Wortes
(teleioũn)
kennengelernt: In der Tora bedeutet es Einweihung, Weihe in die priesterliche Würde hinein, das heißt vollständige Übereignung an Gott. Ich denke, dass wir vom Hohepriesterlichen Gebet Jesu her auch an dieser Stelle diese Bedeutung mithören dürfen. Jesus hat den Einweihungsakt, die priesterliche Übergabe seiner selbst und der Welt an Gott, zu Ende vollzogen (vgl. Joh 17,19). So leuchtet in diesem Wort das große Geheimnis des Kreuzes auf. Die neue kosmische Liturgie ist vollzogen. Das Kreuz Jesu tritt an die Stelle aller anderen Kult-Akte als die einzig wirkliche Verherrlichung Gottes, in der sich Gott selbst verherrlicht durch den, in dem er uns seine Liebe schenkt und so uns zu sich hinaufzieht.
     
    Die synoptischen Evangelien charakterisieren den Kreuzestod ausdrücklich als kosmisches und liturgisches Ereignis: Die Sonne verfinstert sich, der Tempelvorhang reißt entzwei, die Erde erbebt, Tote stehen auf.
    Wichtiger als das kosmische Zeichen ist ein Vorgang des Glaubens: Der römische Hauptmann – der Kommandant des Hinrichtungstrupps – bekennt Jesus in der Erschütterung ob des Geschehenen, das er sieht, als GottesSohn: „Wahrhaft, dieser Mensch war Sohn Gottes“ (Mk 15,39). Unter dem Kreuz beginnt die Kirche der Heiden. Vom Kreuz her sammelt der Herr die Menschen zur neuen Gemeinschaft der weltweiten Kirche. Vom leidenden Sohn her erkennen sie den wahren Gott.
     
    Während die Römer bewusst zur Abschreckung die Gekreuzigten nach dem Tod am Marterpfahl hängen ließen, mussten sie nach jüdischem Recht noch am selben Tag abgenommen werden (vgl. Dtn 21,22f). Deshalb war es Aufgabe des Hinrichtungskommandos, durch Zerschlagen der Gebeine den Tod zu beschleunigen. So geschieht es auch im Fall der auf Golgotha Gekreuzigten. Den beiden „Räubern“ werden die Gebeine zerschlagen. Dann aber sehen die Soldaten, dass Jesus schon gestorben ist. So verzichten sie auf das Zerschlagen der Gebeine. Stattdessen durchbohrt einer von ihnen die rechte Seite – das Herz   – Jesu, „und sogleich floss Blut und Wasser heraus“ (Joh 19,34). Es ist die Stunde, in der die Pascha-Lämmer geschlachtet werden. Für sie gilt die Vorschrift, dass ihnen kein

Weitere Kostenlose Bücher