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Jesus von Nazareth - Band II

Jesus von Nazareth - Band II

Titel: Jesus von Nazareth - Band II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benedikt XVI
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die aber doch jenes einfache Herz hatten, das den Menschen zur Wahrheit fähig macht (vgl. Mt 10,25f).
    Während die Römer die Leichname der am Kreuz Hingerichteten den Geiern überließen, legten die Juden Wert darauf, dass sie begraben wurden, wofür es eigens von der Justiz zugewiesene Stellen gab. Die Bitte des Josef fügt sich insofern in den jüdischen Rechtsbrauch ein. Markus berichtet, dass Pilatus sich wunderte, dass Jesus schon gestorben war, und sich zunächst beim Hauptmann über die Wahrheit dieser Nachricht informierte. Nach der Bestätigung des Todes Jesu überließ er den Leichnam Jesu dem Ratsherrn (vgl. 15,44).
     
    Über das Begräbnis selbst übermitteln uns die Evangelisten eine Reihe wichtiger Informationen. Zunächst wird betont, dass Josef den Leichnam des Herrn in ein ihm gehörendes neues Grab legen lässt, in dem noch niemand bestattet worden war (Mt 27,60; Lk 23,53; Joh 19,41).Darin drückt sich Ehrfurcht vor diesem Toten aus. So wie er am „Palmsonntag“ einen Esel benutzt hat, auf dem noch niemand geritten ist (Mk 11,2), so wird er jetzt auch in ein neues Grab gelegt.
    Weiterhin ist die Nachricht wichtig, dass Josef ein Linnen kaufte, in das er den Verstorbenen hüllte. Während die Synoptiker in der Einzahl einfach von einem Linnentuch sprechen, gebraucht Johannes die Mehrzahl „Leinenbinden“ (19,40) gemäß jüdischer Begräbnissitte – der Auferstehungsbericht kommt darauf noch einmal genauer zu sprechen. Die Frage der Übereinstimmung mit dem Turiner Grabtuch Jesu braucht uns hier nicht zu beschäftigen; in jedem Fall aber ist die Gestalt dieser Reliquie mit beiden Berichten grundsätzlich vereinbar.
    Schließlich erzählt uns Johannes, dass Nikodemus eine Mischung aus Myrrhe und Aloë brachte, „etwa hundert Pfund“. Er fährt fort: „Sie nahmen den Leichnam Jesu und umwickelten ihn mit Leinenbinden, zusammen mit den wohlriechenden Salben, wie es beim jüdischen Begräbnis Sitte ist“ (Joh 19,39f). Die Menge des Balsams ist außerordentlich und überschreitet jedes gewöhnliche Maß: Es ist ein königliches Begräbnis. War uns in der Verlosung der Gewänder Jesus als Hohepriester begegnet, so kann er nun von der Art des Begräbnisses her als König dastehen: In den Augenblicken, in denen alles zu Ende scheint, tritt doch geheimnisvoll seine Herrlichkeit hervor.
    Die synoptischen Evangelien erzählen uns, dass einige Frauen dem Begräbnis zusahen (Mt 27,61; Mk 15,47), und Lukas berichtet, es seien diejenigen gewesen, „die mit Jesus aus Galiläa gekommen waren“ (23,55). Er fügt hinzu: „Dann kehrten sie heim und bereiteten wohlriechende Öle und Salben zu. Am Sabbat aber hielten sie die vom Gesetzvorgeschriebene Ruhe ein“ (23,56). Sie werden nach der Sabbatruhe am Morgen des ersten Tags der Woche kommen, um den Leichnam Jesu zu salben und so die endgültige Bestattung vorzunehmen. Salbung ist ein Versuch, den Tod aufzuhalten, den Leichnam der Verwesung zu entreißen. Und doch ist es ein vergebliches Bemühen: Die Salbung kann nur den Toten als Toten festhalten, nicht ihm Leben geben.
    Am Morgen des ersten Tags werden die Frauen sehen, dass ihre Sorge um den Toten und seine Bewahrung allzu menschliche Sorge war. Sie werden sehen, dass Jesus nicht im Tod festgehalten werden soll, sondern neu – und nun erst wirklich – lebt. Sie werden sehen, dass Gott ihn auf eine endgültige, nur ihm mögliche Weise der Verwesung und damit der Macht des Todes entrissen hat. In der Sorge und Liebe der Frauen kündigt sich dennoch schon der Ostermorgen, die Auferstehung an.

JESU TOD ALS VERSÖHNUNG (SÜHNE) UND HEIL
     
     
    I n einem letzten Abschnitt möchte ich versuchen, wenigstens in großen Linien zu zeigen, wie die werdende Kirche unter der Führung des Heiligen Geistes langsam in die tiefere Wahrheit des Kreuzes hineingewandert ist, um sein Warum und sein Wozu zumindest von ferne zu begreifen. Erstaunlicherweise war eines von Anfang an klar: Mit dem Kreuz Christi waren die alten Tempelopfer endgültig überholt. Neues war geschehen.
    Die Erwartung der prophetischen Kritik, die sich besonders auch in den Psalmen ausgedrückt hatte, war erfüllt: Gott wollte nicht durch die Opfer von Stieren und Böcken verherrlicht werden, deren Blut den Menschen nicht reinigen und nicht entsühnen kann. Der erwartete und doch bisher noch nicht definierte neue Kult war Wirklichkeit geworden. Im Kreuz Jesu war das geschehen, was in den Tieropfern vergeblich versucht worden war: Die Welt war

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