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Jesus Von Nazareth - Und Die Anfaenge Des Christentums - Ein SPIEGEL-Buch

Jesus Von Nazareth - Und Die Anfaenge Des Christentums - Ein SPIEGEL-Buch

Titel: Jesus Von Nazareth - Und Die Anfaenge Des Christentums - Ein SPIEGEL-Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Pieper , Annette Großbongardt
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Paulus Helferinnen, die sogar in manchen Gemeinden dem Gottesdienst vorstanden. Ende des 1. Jahrhunderts werden Frauen aus solchen Positionen verdrängt – eine Anpassung an die hellenistisch-römische Welt, wo Frauen Menschen zweiter Klasse sind. In der Gemeinde sollen sie fortan schweigen.
    Auf vieles haben die Schriften der neuen Religion keine Antwort. Hat Jesus überhaupt eine Kirche gewollt? Wahrscheinlich nicht, und mit Sicherheit haben die Jünger Jesu, die Petrus als den Ersten unter Gleichen respektierten, nie an ein Papstamt gedacht. Auch viele theologische Fragen bleiben offen: Ist Jesus Gott oder Mensch? Wie verhalten sich Gott, Jesus und Gottes Geist zueinander? Erst Jahrhunderte später legen Kirchenversammlungen fest, dass Jesus wahrer Mensch und wahrer Gott sei und Vater, Sohn und Geist die Heilige Dreifaltigkeit sind – und dass ein Irrlehrer ist, wer das anders sieht.
    Sie haben die Welt verändert, die großen Erzählungen von Jesus. Die Erzählungen über einen Mann, der von seinem Vater im Himmel sprach, mal in unverständlichen Rätseln, mal in Bildern und Gleichnissen, die heute so eingängig sind wie vor 2000 Jahren, vom Senfkorn, dem Salz der Erde, dem Licht der Welt, vom verlorenen Sohn. Bernhard von Clairveaux hat mit den Worten des Evangeliums zum Kreuzzug aufgerufen und der heilige Franziskus die Liebe zu aller Kreatur besungen, Martin Luther fand Trost in seiner Höllenangst, Dietrich Bonhoeffer gaben sie Kraft zum Widerstand gegen die Nazis, Mutter Teresa sagte sie den Sterbenden in Kalkutta. Und Bert Brecht, der Zweifler, antwortete auf die Frage nach seinem Lieblingsbuch: »Sie werden lachen, die Bibel.«

»Ein unglaublicher Machtanspruch«
    Der Kirchenhistoriker Christoph Markschies über die Sehnsucht nach einem neuen Glauben im antiken Palästina und die Suche nach dem wahren Jesus
    Das Gespräch führten
Annette Großbongardt und Dietmar Pieper.
    SPIEGEL: Herr Markschies, wenn Sie nur einen Satz hätten, was würden Sie auf die Frage antworten: Wer war Jesus von Nazareth?
    MARKSCHIES: Ein antiker jüdischer Prophet, der mit Wort und Tat versuchte, Gesellschaft heil zu machen, und damit bis heute Gesellschaften gestaltet und Menschen hilft.
    SPIEGEL: War er ein sozialer Neuerer, ein Rebell?
    MARKSCHIES: Auch, ja – wie alle wirklich großen Gestalten kann man ihn nicht auf einzelne Felder einschränken. Er war einer, der im Vergleich zu vielen anderen mit einer ungeheuren Autorität auftrat. Er gehörte zu einer jüdischen Reformbewegung, die das Gewicht der strengen Rechtsverordnungen mildern wollte, etwa am Sabbat. Er sagte, der Sabbat ist für den Menschen da und nicht umgekehrt.
    SPIEGEL: Also Jesus war noch gar kein Christ?
    MARKSCHIES: Nein, er war ein waschechter Jude. Doch angesichts seines unglaublichen Machtanspruchs entschied sich ein Großteil des Judentums, ihn für einen Scharlatan oder einen überdrehten Neuerer zu halten.
    SPIEGEL: Im Markusevangelium fragt Jesus einmal seine Jünger, für wen ihn die Menschen halten. Ihre Antwort lautet: »Einige für Johannes den Täufer, einige für Elia, wieder andere für sonst einen Propheten … Da fragt er: Für wen haltet ihr mich? Da sagt Petrus: Du bist der Messias!« War das die überwiegende Wahrnehmung?
    MARKSCHIES: Jesus selbst hat ja die Bezeichnung »Menschensohn« verwendet, und ich gehöre zu denen, die glauben, dass es so war, wie die Evangelien berichten. Da wählt er einen Titel, der nicht im Zentrum der üblichen Messias-Erwartungen steht, sondern verwendet einen Namen, den er mit seiner Person prägen kann. Damit sagt er, ich bin etwas ganz Besonderes.
    SPIEGEL: Die Menschen erwarteten damals den Messias – wie muss man sich das vorstellen?
    MARKSCHIES: Die Zeitgenossen Jesu hofften in ganz unterschiedlicher Weise auf Befreiung und Erlösung. Die meisten Messias-Vorstellungen haben auch eine politische Dimension: Hoffnung auf Wiederherstellung von staatlicher, gesellschaftlicher Einheit, mit der die religiösen Verhältnisse und das eigene Leben in Ordnung kommen und ein Leben nach Gottes Maßstäben möglich werden würde. Das speist sich aus dem Judentum, dem Alten Testament.
CHRISTOPH MARKSCHIES
    Der mit etlichen Preisen ausgezeichnete evangelische Theologe und ordinierte Pfarrer, Jahrgang 1962, lehrt Ältere Kirchengeschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin, deren Präsident er von 2006 bis 2010 war. Schwerpunkt seiner Forschung und Publikationen sind das antike Christentum und dessen

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