Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jesus Von Nazareth - Und Die Anfaenge Des Christentums - Ein SPIEGEL-Buch

Jesus Von Nazareth - Und Die Anfaenge Des Christentums - Ein SPIEGEL-Buch

Titel: Jesus Von Nazareth - Und Die Anfaenge Des Christentums - Ein SPIEGEL-Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Pieper , Annette Großbongardt
Vom Netzwerk:
romantischen Dörfer im Westen bekamen Pilger aus dem Süden einen anderen Eindruck. Als sie zwischen den Grabhöhlen durch das »Feld des Blutes« Akeldama schritten, müssen sich viele die Nase zugehalten haben. Rauch aus Töpferöfen und beißender Gestank von Gerbereien vermischten sich mit dem süßlich-modrigen Geruch der städtischen Müllhalde. Hunde, Bettler und Leprakranke durchstöberten die täglich rund sieben Kubikmeter organischen Müll, die die Stadt produzierte, während über ihren Köpfen Fliegenschwärme surrten. Kein Wunder, dass die Überlieferung der frühen Christen das Grab des verhassten Verräters Judas hierher verlegte. Nebenan mündete die Cloaca maxima, der Hauptabwasserkanal, ins Kidrontal am Fuß des heiligen Berges Moria. Zum Pessachfest bot sich hier Besuchern die schaurige Kehrseite des Opferkults im Tempel. Während droben in der Stadt rund 200000 Gläubige die wohl größten Grillfeste der Geschichte feierten und das Pessachlamm verspeisten, strömte aus dem Abwasserkanal das Blut von mindestens 5000 Schafen, die auf dem Tempelberg seit Mittag geschlachtet worden waren. Schätzungsweise 23000 Liter sollen ins Kidrontal geflossen sein: »Die Parzellen für Gärten waren hier teuer, weil sie sehr fruchtbar waren«, sagt der Archäologe Ronni Reich von der Universität Haifa, der die Müllhalde untersucht hat.
    Zu den Wallfahrtsfesten entstanden riesige Zeltstädte vor den Stadtmauern. Die meisten Pilger fanden innerhalb der Kleinstadt keine Herberge und campierten deswegen auf den Hügeln oder übernachteten in den Dörfern der Umgebung. Zöllner und Wachen standen in den Stadttoren. Vielen war der Zutritt verboten: »Spirituelle Reinheit diktierte in dieser Zeit das jüdische Denken«, sagt Gibson. Im dritten Buch Mose finden sich dazu langatmige Ausführungen. Wer unter »Ausfluss« litt oder damit in Berührung kam, von jemanden angespuckt wurde oder nur auf einem Sattel saß, der mit solchen Sekreten in Berührung gekommen sein könnte; wem der »Samen abgeht« oder wer mit seiner Frau geschlafen hatte; wer mit einer Frau während ihrer Periode oder Dingen, die sie angefasst hatte, mit Toten oder Aussätzigen in Berührung kam, musste sich spirituell reinigen, bevor er wieder mit anderen Juden in Kontakt treten oder auf dem Tempelberg beten durfte. Dazu tauchte man in einem besonderen Bad unter – der Mikwe.
    Juden litten zu dieser Zeit unter einem kollektiven rituellen Waschzwang: »Jedes Haus hatte damals eine Mikwe, manchmal sogar eine pro Zimmer. Zusätzlich gab es mindestens 40 öffentliche Mikwen«, sagt Schwartz. »Man darf sich das aber nicht allzu hygienisch vorstellen«, warnt Reich. Seife gehörte nicht zum Ritual. Das Getümmel in den großen öffentlichen Quellbädern könnte recht unappetitlich gewesen sein: Tausende mit Staub bedeckte, verschwitzte Pilger tauchten hier nach der langen Reise unter, bevor sie zum Tempel aufstiegen. Neben ihnen trug man Kranke auf Bahren ins Becken, damit auch sie von der Wirkung des Wassers profitierten.
    Die Bäder befanden sich in Nähe des Tempelbergs. Ein- und Ausgänge waren getrennt, um Zusammenstößen zwischen »Reinen« und »Unreinen« vorzubeugen. Zu den Wallfahrtsfesten hielt man sich vor dem Bad am Straßenrand, nach der Säuberung blieb man in der Mitte der Straße. In der Nähe des Siloah-Teichs schlossen eigens angelegte Parallelstraßen Kontakt zwischen Reinen und Unreinen völlig aus. Die Reinheitsgebote waren nicht das einzige Merkmal, das Jerusalem als jüdisch kennzeichnete. Schon um 300 v. Chr. soll Hekataios von Abdera bemerkt haben, dass es in der Tempelstadt »keine einzige Statue oder Weihopferstätte, nicht die Spur eines heiligen Hains oder etwas in der Art« gab. Selbst die hellenisierte Elite befolgte das strenge Bilderverbot: Wandmalereien bestanden in Jerusalem aus geometrischen Formen oder Pflanzenmotiven. »Wir haben aus dieser Epoche in Jerusalem keine Götzen oder Abbildungen von Personen und Tieren gefunden«, bestätigt Reich.
    Am deutlichsten wurden die Unterschiede zur römischen Kultur am Sabbat, dann waren alle Geschäfte geschlossen. Römer fanden diese Gepflogenheit eigenartig, mitunter sogar verwerflich. Die Sabbatruhe brachte besondere Utensilien hervor: Da man kein Feuer anzünden durfte, »brannten in Sabbat-Lampen besondere, langsam brennende Dochte, die den ganzen Tag hindurch Licht spendeten«, sagt Schwartz. Der »Meiham« in den jüdischen Küchen hielt Gefäße den ganzen Tag

Weitere Kostenlose Bücher