Jesus Von Nazareth - Und Die Anfaenge Des Christentums - Ein SPIEGEL-Buch
bestimmte Fähigkeiten und Pflichten, die streng voneinander geschieden sind. An der Spitze der Hindu-Gesellschaft stehen diejenigen, die moralisch und physisch von höchster Reinheit und darum den Göttern am nächsten sind: die Brahmanen. Unter der Priesterkaste rangieren die Kaste der Krieger, die Kaste der Händler und Bauern und die aller Übrigen. In der Rigveda, einer der heiligen Schriften der Hindus, heißt es, die vier Kasten seien aus dem Mund, den Armen, den Schenkeln und den Füßen des Urwesens Purusha hervorgegangen.
Das Schicksal jedes Einzelwesens folgt aus der Gesamtheit aller Taten, die es in einem früheren Leben vollbracht hat (»Karma«). Das Ziel des Gläubigen muss es sein, sich durch gute Taten eine entsprechende Reinkarnation zu sichern. Wer sittlich gelebt hat, wird zum Lohn als Mitglied einer geachteten Kaste wiedergeboren. Unwürdige Lebensführung aber rächt sich in der Wiedergeburt etwa als Hund oder Schwein.
BUDDHISMUS
Aus dem Schoß des Hinduismus erwuchs im 6. Jahrhundert v. Chr. eine weitere Weltreligion – der Buddhismus. Der buddhistische Geburtsmythos erzählt von einem heiligen Wunder: Der werdende Religionsstifter hatte nach vielen früheren Inkarnationen für seine nächsten Wiederverkörperung die tugendhafte Königsgattin Maya als Mutter erwählt. Dieser Maya erschien im Traum ein weißer Elefant, der in ihre Seite eindrang. Nach zehnmonatiger Schwangerschaft gebar sie den zukünftigen Buddha – die Parallele zur Jungfrauengeburt durch Maria drängt sich auf. Sieben Tage nach der Niederkunft starb Maya: Nie wieder sollte das kostbare Gefäß, das einen Buddha beherbergt hatte, weltlichen Zwecken dienen.
Die überlieferten biografischen Eckdaten über den Religionsstifter aus Nordindien, der von etwa 560 bis 480 vor Christus lebte, lesen sich nüchterner. Der Begründer des Buddhismus entstammte der zweithöchsten Kaste der Krieger. Seine Eltern hatten dem Sohn den Namen »Siddhartha« (»der sein Ziel erreicht hat«) verliehen – sein Vater gehörte immerhin einer maßgeblichen Adelsfamilie an. Nach einer Jugend im Wohlstand soll Siddhartha aber im Alter von 29 Jahren, von den Begegnungen mit Leidenden aufgewühlt, den heimischen Palast verlassen haben, um nach dem Beispiel brahmanischer Asketen die Weisheit zu suchen. Sieben Jahre später überkam ihn, der Überlieferung zufolge unter einer Pappelfeige sitzend, die Erleuchtung. Der Name Buddha, den er seitdem trug, bedeutet in Sanskrit »der Erwachte«. Seine erste Predigt hielt er in Benares. Dann zog er gut 40 Jahre predigend durch Nordindien, bis er mit 80 Jahren starb.
Da Buddha keine schriftliche Zeile hinterlassen hat, gründet die Kenntnis seiner Lehre ausschließlich auf den Berichten anderer. Der Ausgangspunkt ist die Vergänglichkeit aller Erscheinungen unserer Welt. Daraus folgt in der buddhistischen Lehre viererlei:
1. Alle Daseinsformen sind im Wesen leidvoll. 2. Das Leiden entsteht aus der Gier nach Dasein, die zur Wiedergeburt führt. 3. Durch die Aufhebung dieser Gier kann das Leiden überwunden werden. 4. Dazu dient der »achtgliedrige Pfad« – eine ethische Methodenlehre buddhistischer Erlösung.
Ihr zufolge muss, wer Buddha nacheifern will, freundlich und ohne Groll sein, darf nicht lügen, soll Gutes tun, nicht mit Waffen, Drogen oder Lebewesen handeln, Hass, Neid und Gier überwinden, achtsam mit seinem Körper umgehen und seinen unsteten Geist kontrollieren. Endziel des buddhistischen Weges ist die Aufhebung allen Leidens in einem mystischen Zustand, in dem sich der Kreis der Wiedergeburten endlich schließt: im Nirwana. Ein heiliger Text beschreibt das Nirwana als »Bereich, wo weder Festes noch Flüssiges ist, weder Hitze noch Bewegung, weder diese Welt noch jene Welt, weder Sonne noch Mond … Es ist ohne jede Grundlage, ohne Entwicklung, ohne Stützpunkt: das eben ist das Ende des Leidens.«
Von seinem Ursprungsland Indien breitete sich der Buddhismus in weiten Teilen Asiens aus und erreichte nach einigen hundert Jahren auch China, Korea und Japan. In China traf er auf zwei andere Lehren, die ungefähr zur selben Zeit entstanden waren und ebenso wie der Buddhismus zwischen Religion, Philosophie und Ethik oszillieren.
KONFUZIANISMUS, DAOISMUS
Die eine davon prägte Kong Qiu, in Europa als Konfuzius bekannt (551 bis 479 v. Chr.). Er entstammte einer verarmten Familie des niederen Adels und soll zeitweise als Minister gedient haben. Als Wanderphilosoph predigte er in China
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